Egal, wer unter ihnen Fraktionschef wird

Walter Zuckerer (SPD) und Martin Schmidt (GAL) bestimmen den Kurs  ■ Von Silke Mertins

Die Stirn zu angestrengten Dackelfalten zusammengerunzelt, den Schnurrbart im nervösen Zupfgriff: Walter Zuckerer (SPD) verhandelt. Heute wird die neue Fraktionsspitze gewählt. Schon vor zwei Jahren kandidierte der linke Sozi aus dem mächtigen Bezirk Altona für den Posten des Vorsitzenden. Doch weil die Linken sich nicht auf einen Kandidaten einigen konnten, wurde es keiner. Inzwischen hat Zuckerer gut lachen. Das Traditions-Trio mit Elisabeth Kiausch (rechts) an der Spitze und ihren Stellvertretern Jan Ehlers (links) und Ingo Kleist (rechts) wurden mit der rot-grünen Stimmungswende aus dem Amt gefegt. Und damit ist klar: Egal, wer unter Zuckerer Fraktionsvorsitzender wird, er wird das Sagen haben.

Längst stellen die Linken in der Fraktion die meisten Abgeordneten. Selbst wenn dem Mitte-Rechts-Lager großmütig der Fraktionschefsessel überlassen wird, ist Zuckerer – der mit dem Abgang von Ehlers nun endlich die Konkurrenz los ist – der unumstrittene Mehrheitsführer. Gegen sein Votum wird auch ein Holger Christier, der als Fraktionschef gehandelt wird, keine Schnitte kriegen. Außerdem: Der Oberstudienrat Christier hat sich zwar im Untersuchungsausschuß Polizeiskandal profiliert und schlug bei seinen rhetorisch gut vorgetragenen Reden zur Inneren Sicherheit in der Bürgerschaft stets einen verhältnismäßig moderaten Ton an. Doch in diesen Zeiten der Beschäftigungs- und Finanzkrise wird bei den zentralen Debatten ein anderer ans Rednerpult treten: Der Haushalts- und Wirtschaftsexperte Walter Zuckerer. Das ist für den mitreißenden und bissigen Redner auch deshalb äußerst günstig, weil auf GAL-Seite die ausgewiesenen Experten dieser Themen nun alle im Senat sitzen.

Allein um die Frage, ob Christier zwei Linke als Vize zur Seite stehen werden, drehen sich nun noch die parteiinternen Verhandlungen. Als Mehrheit, so die linke Überzeugung, hätte man eigentlich Anspruch auf zwei Sitze an der Spitze. Außerdem würde man gern Petra Brinkmann, die schon als SPD-Landesvizin nicht brilliert, verhindern. Andererseits bräuchte man der Quote wegen noch eine Frau. Dorothee Stapelfeldt ist von links die wahrscheinlichste Kandidatin. Doch auch sie ist, wie Brinkmann, bisher als stellvertretende Landeschefin eine blasse Figur gewesen. Wehren sich die Rechten gegen das 2:1-Verhältnis, könnte man sich auf ein Vierergremium einigen.

Ähnlich verworren ist derzeit die Gefechtslage bei der erstmals mitregierenden GAL. Der realpolitische Verkehrs- und Verfassungsguru Martin Schmidt sah sich schon fast auf dem Chefsessel. Der Sozi Jan Ehlers nannte ihn vorgestern bereits „den bedeutendsten altphilologischen Politiker der Neuzeit“. Doch eigentlich müßte der Posten um des innerparteilichen Friedens willen mit einer linken Frau besetzt werden. Zumal der begnadete Macho Schmidt nicht als herausragende Integrationsfigur gilt. Nach einigem Grübeln und Ringen tritt nun die linke Umweltexpertin Antje Möller gegen ihn an. Für die Fraktionssitzung am Montag wird eine Kampfabstimmung erwartet.

„Ich möchte gern konstruktiv, engagiert, aber auch kritisch mit diesem Koalitionsvertrag arbeiten“, sagt Möller. Rot-Grün sei kein Lustprojekt, aber man könne etwas daraus machen. Ihr wird zugetraut, die Fraktion zusammenzuhalten. Ihr Nachteil: Sie war bisher eine hingebungsvolle und detailverliebte Fachpolitikerin. An ihren rethorischen Fähigkeiten müßte sie noch arbeiten.

Zusammen mit Anna Bruns bliebe Schmidt dann nur der Vizeposten. Doch da Möller „nicht in den Haushaltsbereich“und keineswegs „eine Generalistin“werden will, wird sie es gegen Schmidt nicht leicht haben. Ähnlich wie Zuckerer, könnte auch er sich nach außen profilieren. Denn solange keiner Schmidt daran hindert, den grünen SenatorInnen rhetorisch den Hof zu machen, kann auch ihm egal sein, wer unter ihm den Fraktionsvorsitz übernimmt.