: Abgeschoben und eingestellt
Flüchtlings-Mißhandlung im Abschiebeknast Glasmoor: Staatsanwaltschaft stellt Verfahren gegen die Empfehlung der Polizei ein ■ Von Marco Carini
Ermittlungen eingestellt. Weil den Beschuldigten „eine Straftat nicht“mit „Sicherheit nachgewiesen werden“könne, stellte die Kieler Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen mehrere Vollzugsbeamte des Hamburger Abschiebeknastes Glasmoor jetzt ein. Die Bediensteten der auf Norderstedter Gebiet liegenden Anstalt sollen im August vergangenen Jahres einen Flüchtling aus Nigeria mißhandelt haben. Obwohl der Übergriff durch Zeugen teilweise belegt ist und die Angeschuldigten sich in Widersprüche verwickelten, soll nicht angeklagt werden.
Am 24. August vergangenen Jahres kam es – soviel ist unstrittig – in Glasmoor zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen mehreren Schließern und dem Nigerianer Okonta S. In der Vernehmung gab der Afrikaner zu Protokoll, von vier Beamten in seiner Zelle grundlos angegriffen worden zu sein. Einer hätte ihm ein Essenstablett auf den Kopf geschlagen, dann sei er geohrfeigt sowie mit Fußtritten und Faustschlägen traktiert worden.
Von den vier Zellennachbarn des Nigerianers, die die Attacke beobachtet haben müssen, konnte einer nicht mehr vernommen werden, da er unmittelbar nach dem Vorfall abgeschoben wurde. „Die Aussagen der verbliebenen drei Afrikaner bestätigen die Vorwürfe meines Mandanten im Kern. Da sie die Vorfälle nicht komplett beobachtet haben, weisen ihre Aussagen Lücken auf“, berichtet der Anwalt des Nigerianers, Björn Stehn. Die Staatsanwaltschaft folgert in ihrem Einstellungsbeschluß daraus, die Zeugen hätten „widersprüchliche Angaben“gemacht. Stehn: „Das geht aus den Akten eindeutig nicht hervor.“
Die Beamten J. und W., die zuerst in der Zelle waren, gaben hingegen zu Protokoll, von Okonta S. angegriffen worden zu sein. Laut einem zwei Tage nach der Auseinandersetzung gefertigten Bericht der Anstaltsleitung, der auf den Aussagen von J. und W. fußt, soll der Nigerianer die Beamten gar verletzt haben. In der Polizei-Vernehmung wiederholen die beiden Schließer diese Anschuldigung aber merkwürdigerweise nicht.
In seinem Bericht wies auch der ermittelnde Norderstedter Kriminaloberkommissar darauf hin, daß „die Justizbeamten“in den Vernehmungen „widersprüchliche Angaben“gemacht hätten. Weiter führte der Beamte aus: „Als Verdächtige dürften meines Erachtens zumindest Herr J. und Herr W. anzusehen sein. Bei den Aussagen der anderen Beamten entstand zumindest der Eindruck, daß sie von den vermeintlichen körperlichen Auseinandersetzungen nichts sehen wollten.“
Obwohl der Kripo-Beamte empfahl, die Justizbeamten unter Eid zu vernehmen, geschah nichts. Rechtsanwalt Stehn hat inzwischen Beschwerde gegen die Verfahrens-Einstellung eingelegt. Der Jurist geht davon aus, daß die „Beamten in einer Hauptverhandlung sich nicht auf Schutzbehauptungen zugunsten ihrer Kollegen zurückziehen werden“, um selber keine Anklage wegen Meineids zu riskieren.
Auch wenn der Beschwerde Stehns stattgegeben werden sollte – zu einer Verurteilung der Beamten wird es kaum kommen. Denn Okonta S. wurde längst abgeschoben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen