: Kein Pardon für RAF-Gefangene
Die Bundesanwaltschaft will Christian Klar 26 Jahre in Haft lassen, Adelheid Schulz und Sieglinde Hofmann jeweils 19 Jahre – länger als alle anderen Inhaftierten ■ Von Gerd Rosenkranz
Berlin (taz) – Geht es nach dem Willen der Bundesanwaltschaft, soll der zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilte RAF-Gefangene Christian Klar 26 Jahre in Haft bleiben, erheblich länger als alle anderen Inhaftierten aus der gescheiterten Linksguerilla. Adelheid Schulz und Sieglinde Hofmann, ebenfalls mit einem „Lebenslänglich“-Urteil belastet, sollen je 19 Jahre absitzen. Das geht nach Informationen der taz aus Stellungnahmen hervor, die die Anklagebehörde gegenüber dem Oberlandesgericht Stuttgart abgab.
Das Gericht prüft nach Ablauf von 15 Jahren Haft die Möglichkeit einer „vorzeitigen Entlassung“. Daß die drei betroffenen RAF-Häftlinge länger sitzen müssen, stand indes schon vorher fest. Das OLG Stuttgart hatte in den letzten Urteilen gegen die drei früheren RAF-Kader jeweils eine besondere „Schwere der Schuld“ festgestellt und damit eine Entlassung nach 15 Jahren praktisch ausgeschlossen. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1992 soll den Betroffenen jedoch im Zuge des Verfahrens mitgeteilt werden, mit welcher Haftdauer sie zu rechnen haben.
1985 hatte das OLG Stuttgart Klar zu fünfmal „lebenslänglich“ plus zusätzlich 15 Jahre verurteilt: der höchste jemals gegen ein RAF- Mitglied ergangene Urteilsspruch. Zur Last gelegt wurde Klar die Beteiligung an fast allen Attentaten der RAF zwischen 1977 und 1981 – auch an der Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer und seiner vier Begleiter vor 20 Jahren, bei der Klar nach heutiger Kenntnis nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat. 1992 kam aufgrund von Kronzeugenaussagen ein weiteres „Lebenslänglich“-Urteil für einen Banküberfall hinzu, bei dem 1979 in Zürich eine unbeteiligte Passantin unter immer noch ungeklärten Umständen erschossen wurde. Klar wurde im November 1992 an einem Erddepot der RAF nahe Hamburg verhaftet. Kommt das OLG Stuttgart der Forderung der Bundesanwaltschaft nach, bliebe der inzwischen 46jährige noch bis zum Jahr 2008 in Haft.
Adelheid Schulz erhielt ihre erste lebenslängliche Freiheitsstrafe 1985 wegen Beteiligung an der Schleyer-Entführung und der Ermordung des Bankiers Jürgen Ponto. 1994 verurteilte das OLG Stuttgart auch sie nach Kronzeugenaussagen noch einmal wegen einer Schießerei, bei der 1978 an der deutsch-holländischen Grenze zwei Grenzbeamte erschossen wurden. Schulz wurde ebenfalls 1982 festgenommen, soll also nach dem Willen der Bundesanwaltschaft noch bis 2001 einsitzen.
Sieglinde Hofmann wurde 1980 in Paris festgenommen. Wegen eines eingeschränkten französischen Auslieferungsdekrets entging sie zunächst einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe und erhielt 1982 vor dem OLG Frankfurt 15 Jahre wegen Beteiligung an der Ermordung Pontos. 1995 verurteilte sie das OLG Stuttgart nach Kronzeugenaussagen zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe. Sie soll direkt an der Entführung Schleyers und der Ermordung seiner vier Begleiter am 5. September 1977 beteiligt gewesen sein. Nach den Vorstellungen der Bundesanwaltschaft würde Hofmann 1999 freikommen.
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