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SPD wie ein Mann für den Lauschangriff

■ Nachdem der Parteitag der SPD den vorliegenden Entwurf zum Bonner „Lauschangriff“abgelehnt hatte, stimmte die Fraktion gestern geschlossen zu / Scherf weilt derweil in Pune

Es war eine flammende Rede, die Jens Böhrnsen, der innenpolitische Sprecher der SPD und von Beruf Richter, gestern in der Bürgerschaft zum Thema Innere Sicherheit und Großer Lauschangriff hielt. „Kriminalitätsbekämpfung darf niemals auf Kosten der Bürgerrechte gehen“, rief Böhrnsen den Parlamentariern zu. Die akustische Überwachung von Wohnungen sei „keine Wunderwaffe der Kriminalitätsbekämpfung“, mahnte der Richter. Die Bürger müßten vor „überzogener Bespitzelung“geschützt werden, schließlich sei das Abhören der Wohnung ein „hochsensibles“Thema. Die SPD hätte auch in schwierigen Zeiten stets für die Bürgerrechte gekämpft.

Doch etwa eine halbe Stunde später stimmte die SPD mit der CDU für den Großen Lauschangriff. Als Böhrnsens Name aufgerufen wurde, sagte der Innenpolitiker laut und deutlich „Ja“. Mit ihm stimmten insgesamt 78 Abgeordnete für den Antrag, den CDU und SPD schon im September eingereicht hatten. „Die Bürgerschaft begrüßt den jüngst erzielten Kompromiß im Bundestag zum Einsatz technischer Mittel zur akustischen Raumüberwachung“, heißt es darin wörtlich. „Die Bürgerschaft erwartet, daß der Senat den notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen im Bundesrat zustimmt.“Nur die 13 anwesenden Abgeordneten der Grünen stimmten mit „Nein“.

Noch im November hatte die SPD auf Initiative des Bremer Anwalts Waldemar Klischies auf ihrem Parteitag gefordert, den Großen Lauschangriff „abzulehnen“, wenn nicht Verbesserungen des vorliegenden Entwurfes erreicht werden könnten. Das Zeugnisverweigerungsrecht von Ärzten, Rechtsanwälten, Priestern und Journalisten sollte gesetzlich geschützt und nicht durch das Abhören ausgehöhlt werden, steht in dem Parteibeschluß. Bürgermeister Henning Scherf hatte sich Ende September seine fundamentale Kritik am Großen Lauschangriff formuliert, ließ es aber offen, ob er im Bundesrat die Grundgesetzänderung an den Bremer Stimmen scheitern lassen würde. (taz 24.9).

Doch Scherf weilt derzeit in Pune, um die Städtepartnerschaft mit der indischen Stadt aufzupolieren. „Das ist natürlich Pech. Das war nicht abgesprochen“, sagte Böhrnsen nach der Debatte gegenüber der taz. „Es wäre natürlich besser gewesen, Henning Scherf hätte heute hier seinen Beitrag dazugegeben.“Grundsätzlich stünde er hinter dem Antrag, betont Böhrnsen. „Wenn wir die genauen Entwürfe des Bundestages im September schon gekannt hätten, hätten wir sicherlich darauf gedrungen, daß die Verbesserungen mit berücksichtigt worden wären“. Jetzt hofft der Innenpolitiker, daß in Bonn nachgebessert wird. Der Passus, daß der Senat den notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen im Bundesrat zustimmt, würde sicherstellen, daß das Signal aus Bremen „kein Freibrief“sei, so Böhrnsen. Er bleibt dabei: Ärzte, Rechtsanwälte, Journalisten und Priester dürften nicht abgehört werden.

AfB und CDU interpretieren diesen Passus anders. Das zeigten die Redebeiträge der Polizisten Rolf Herderhorst (CDU) und Rolf Marken (AfB) deutlich. Das Abhören hätte mit der Beweiserhebung nichts zu tun, betonten beide. Die Abgehörten hätten schließlich auch nach dem Lauschangriff die Möglichkeit, die Aussage zu verweigern. „Das ist natürlich dummes Zeug“, sagte Klischies. „Wenn das so interpretiert wird, bedaure ich die Zustimmung der Fraktion. Ich habe gedacht, daß die SPD, nachdem sich jetzt fast alle Welt kritisch zum Lauschangriff geäußert hat, auch wach geworden ist.“ kes

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