: Low-Budget-Team erntet Respekt
Die Basketballer der TVG Trier fügen dem Meister Alba Berlin mit 97:84 die erste Heimniederlage der Saison zu und rechtfertigen eigene Vorschußlorbeeren ■ Von Matti Lieske
Berlin (taz) – Svetislav Pesic verliert keineswegs gern, aber nach dem deutlichen 84:97 gegen die TVG Trier in eigener Halle klang der Coach von Alba Berlin fast zufrieden. „Solche Spiele gibt es jetzt nicht mehr bei uns“, sagte er, „wenn wir heute etwas gelernt haben, dann, daß wir gegen jeden Gegner hundertprozentig zur Sache gehen müssen.“ Genau dies hatte Pesic immer gepredigt, aber richtig geglaubt hat es nach der Bundesliga-Hinrunde mit nur einer Niederlage (in Ulm) kaum jemand. Zu oft hatten die Berliner Spiele gewonnen, „in denen wir, sagen wir so, keine tolle Leistung boten“ (Pesic), weil der Gegner am Schluß einbrach, einfach nicht gut genug war oder schlicht nicht daran glaubte, daß er Alba wirklich besiegen könnte. Die meisten, so hatte Oberelchingens Coach Wehner gesagt, wären schon froh, wenn sie in Berlin mit weniger als 20 Punkten Defizit davonkämen.
„Keiner ist mit dem Gedanken in die Halle gekommen, daß wir das Spiel verlieren werden“, sagte Pesic fast genüßlich, weil er sich endlich einmal bestätigt sehen durfte, „nicht die Spieler, nicht die Zuschauer und auch nicht die Journalisten. Nur der Trainer.“ Das 0:10 am Anfang löste in der mit 7.677 Zuschauern fast ausverkauften Max-Schmeling-Halle nicht die Spur von Besorgnis aus und war auch bald aufgeholt. Selbst die 12 Punkte Rückstand zur Pause ließen keine Zweifel daran aufkommen, daß der Sieger am Ende Alba heißen würde. Erst als die Trierer ihren Vorsprung hartnäckig verteidigten und, anders als die meisten Gegner, weder dem stetigen Angriffswirbel und der besseren Bank des Meisters erlagen noch sich vom tobenden Publikum einschüchtern ließen, wurde deutlich, daß diese Gäste aus einem anderem Holz geschnitzt waren.
Beflügelt durch ihren Korac- Cup-Sieg gegen die renommierten Griechen von Aris Saloniki, Favoriten in diesem Wettbewerb, und das Erreichen der nächsten Runde, spielten die Trierer die ganze Partie über selbstbewußt, ruhig und gut. Viel Spott hatte Coach Don Beck zu Saisonbeginn geerntet, als er erklärte, Alba herausfordern zu wollen, vor allem, nachdem die ersten Wochen alles andere als erfolgreich verliefen. Er sei mißverstanden worden, erklärte Beck jetzt. Er habe nur zum Ausdruck bringen wollen, daß ein Coach, der mit dem Training beginne, natürlich für nichts Geringeres als das Finale trainiere. Schließlich habe auch Bonn vergangene Saison erst am letzten Spieltag die Qualifikation für die Play-offs geschafft und dann Alba im Finale einen harten Kampf geliefert. Die TVG sei aber ein „Wenig-Geld-Team“, verfüge über keine herausragende Bank und sei deshalb von der Verletzung wichtiger Spieler am Saisonanfang hart getroffen worden.
Daß die Trierer zu ähnlichen Dingen fähig sein könnten wie die Bonner, stellten sie in Berlin unter Beweis, wo ihnen gelang, was europäische Spitzenklubs wie Teamsystem Bologna oder Paris St. Germain nicht geschafft hatten: Alba eine Heimniederlage zuzufügen – die erste seit dem erstaunlichen Sieg von Baskets Bonn im dritten Spiel der Meisterschaftsserie. Gleichzeitig demonstrierte das Match, was alles zusammenkommen muß, damit die Berliner ein Bundesligaspiel verlieren. Ein Gegner, der Offensivrebounds holt, seine wichtigen Freiwürfe verwandelt, nie die Geduld verliert und mit aufmerksamer Defense Pässe verhindert, Würfe aus schlechter Position erzwingt und Ballverluste provoziert. Auf der anderen Seite ein Alba-Team, das die Dinge schleifen läßt, vor allem in der Abwehr, sich zahlreiche Flüchtigkeitsfehler leistet, nur 6 von 15 Dreiern trifft, und bei dem einige Akteure, wie etwa der russische Nationalspieler Karassew, weitgehend indisponiert sind.
Dazu noch ein gewisser Mangel an Glück, denn in der Schlußphase sah es eine Zeitlang so aus, als könnte das Match doch noch kippen. Trier geriet aber selbst dann nicht in Panik, als der Vorsprung auf acht Punkte geschrumpft war und das bis dahin so mäßige Alba- Spiel plötzlich auf Hochtouren lief. Eine Auszeit sorgte für Beruhigung, danach brachten Konter von Carl Brown und Bernard Thompson, mit 22 resp. 21 Punkten beste Trierer Spieler neben Center Marc Suhr, die endgültige Entscheidung.
„Als wir Saloniki geschlagen haben, hat, glaube ich, niemand davon gehört“, beklagt Triers Coach den „mangelnden Respekt im eigenen Land“ für seine Mannschaft. Mit dem Sieg in Berlin dürften Don Beck und sein „Low-Budget- Team“ in dieser Hinsicht einiges gutgemacht haben. Bleibt die Frage, wie sich die zweite klare Niederlage in Folge, nach der Europaliga-Schlappe in Zagreb, auf Alba auswirkt. „Das ist Sport, natürlich kann man verlieren“, meint Pesic, allzu oft möchte er die Erfahrung aber lieber nicht machen. In der Europaliga stehen mit den Heimpartien gegen Ljubljana und Athen (10. und 18. Dezember) wichtige Spiele bevor, das gern und schnell gebrauchte Wort Krise ist da höchst unwillkommen.
Das nächste Bundesligaspiel ist erst am 6. Dezember in Braunschweig, und während die Nationalspieler in der EM-Qualifikation aktiv sind, kann sich Pesic der Aufgabe widmen, den verbliebenen Akteuren die Geheimnisse von „Motivation und Konzentration“ auch für schnöde Bundesligapartien einzutrichtern. Schließlich haben die Trierer den kommenden Gegnern eine neue Erkenntnis beschert: Man kann gegen Alba gewinnen – sogar in Berlin.
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