: Hitler für 13.000 Mark zu verkaufen
■ Bremer Auktionshaus Bolland & Marotz bietet Plastik von Hitlers Lieblings-Bildhauer Arno Breker im Katalog an / Ein normales Geschäft, findet der Inhaber
„Neuer Katalog“steht in großen schwarzen Buchstaben auf dem Papierschild, das im Schaufenster von Bolland & Marotz steht. Der Katalog, mit dem das Auktionshaus für die Versteigerung am 5. und am 6. Dezember einlädt, wirbt mit einem ganzseitigen Foto für ein Angebot, das es in sich hat: Unter der Nummer 501 bieten die Auktionare, die sich in einem Hochglanzprospekt vor allem Rechtsanwälten, Steuerberatern, karitativen Einrichtungen, Erbengemeinschaften und Privatleuten empfehlen, für 13.000 Mark den Kopf von Adolf Hitler aus Bronze zum Verkauf an. Die Büste stammt von Hitlers Hofbildhauer Arno Breker (1900 bis 1991).
Breker avancierte 1936 mit seinen Bronzeplastiken „Der Zehnkämpfer“und „Die Siegerin“für die Olympischen Spiele in Berlin zum Lieblingsbildhauers Hitlers. Er modellierte Büsten „des Führers“und anderer NS-Politiker. An zahlreichen nationalsozialistischen Bauten legte er Hand an. Aus Dankbarkeit schenkte Hitler ihm einen Landsitz im märkischen Jäckelsbruch.
Die Frage, warum er den Hitler-Kopf verkaufen will, versteht Jörn Marotz, Inhaber des Auktionshauses, nicht so recht. Solche Angebote würden bei den deutschen Auktionshäusern schon seit 20 Jahren einen „breiten Raum“einnehmen. „Wir handeln nicht mit Waffen und Orden“, betont Marotz, der 1945 geboren ist. Nazi-Devotionalien habe er bislang stets abgelehnt. Und auch als ihm kürzlich von einem Kunden aus Norddeutschland der Hitler-Kopf angeboten worden sei, habe er gezögert. „Mein Herz hängt da weiß Gott nicht dran. Aber die Kontroverse um den Künstler Breker geht schon seit 50 Jahren, und ich wollte einen Beitrag dazu leisten. Vielleicht ist das nicht der richtige Zeitpunkt. Vielleicht ist das ein zu mutiger Schritt“, sagt der Kaufmann und flicht ein, daß er schon im Alter von zwölf Jahren die Auschwitz-Protokolle gelesen habe. „Mich quälen solche Dinge auch, aber es quält mich auch, daß wir das so ausklammern.“
In der Branche gilt Marotz als einer, dem Geld wichtiger ist als Moral. Im Sommer 1993 verkaufte er für 1,3 Millionen Mark ein Bild des flämischen Malers Roelant Savery (1576 bis 1639). Das Bild wurde vermutlich zwischen 1943 und 1945 von Offizieren einer SS-Panzerdivision in Holland aus Privatbesitz gestohlen und gehörte somit zur Beutekunst. Einen Tag vor der Auktion baten die deutsche Botschaft in Den Haag und das niederländische Außenministerium Marotz darum, bei der Auktion auf die ungeklärten Eigentumsverhältnisse hinzuweisen – was Marotz zwar versprach, aber nicht hielt. Frits Duparc, Museumschef des Mauritshuis in Den Haag, wollte das Bild für 1,25 Mio. Mark zurückaufen. Doch Marotz gab den Zuschlag einer Österreicherin, die ihr Angebot von 1,3 Mio. Mark anonym und per Telefon übermittelte. Seither ist das Bild verschwunden (art Okt. 1994/10). Außerdem soll das Auktionshaus 1990 an dem Verkauf des Gemäldes „Landschaft in Potsdam“von Eduard Gaertner beteiligt gewesen sein. Das Bild wurde im „Zuge der systematischen Ausplünderung von privaten Kunstsammlungen in der DDR“verscherbelt, um mit dem staatlichen Export von Kunstwerken Devisen zu beschaffen (Blutke, Günter: Obskure Geschäfte mit Kunst und Antiquitäten).
Andere Auktionshäuser äußern Bedenken, die Hitler-Büste zu verkaufen. „Aus dem Dritten Reich nehmen wir grundsätzlich nichts“, lehnt die Dame vom Hamburger Auktionshaus Dörling ab. „Das ist nicht unser Metier.“Auch der Hamburger Auktionator Kendzia ist vorsichtig. „Man kann die Geschichte nicht totschweigen“, sagt er. „Ich würde die Büste aber nur Museen oder zeitgenössischen Instituten anbieten.“Um zu verhindern, daß der Hitler-Kopf von Neo-Nazis gekauft wird, würde er das Stück „nicht annoncieren“. Daß das Foto der Hitler-Büste im Katalog „zu groß geraten“ist und Neo-Nazis anlocken könnte, räumt Marotz ein. „Eine Viertelseite hätte gereicht“, sagt er und verspricht: „Ich werde mir genau ansehen, in welche Hände die Büste kommt.“
Kerstin Schneider
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