: SPD wirft Koalition Ausverkauf vor
■ Bei der Haushaltsdebatte in Bonn greift SPD die Koalition scharf an
Bonn (taz) – Zu Beginn der viertägigen Haushaltsdebatte im Bundestag hat die SPD gestern der Regierung Versagen auf der ganzen Linie vorgeworfen. Die Koalition sei für Arbeitslosen-, Schulden-, Abgaben- und Pleitenrekord verantwortlich, sagte gestern der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Diller.
Erstmals seien mehr als 26 Prozent der Steuereinnahmen für Zinsen fällig. Nachdem sie in 15 Jahren Bundesvermögen in Höhe von 25 Milliarden verkauft habe, verschleudere sie nun mit ihrer „Aktion Schlußverkauf“ 30 Milliarden Mark in einem Jahr. „Alles werfen sie auf den Markt“, so Diller: „Telekom, Postbank, Deutsche Ausgleichsbank, Autobahnraststätten, Hunderttausende Wohnungen. Das Haushaltsloch ist 1999 wieder da, das Pulver aber dann verschossen.“ Die Bundesregierung verstoße im dritten Jahr nacheinander gegen den Grundgesetzartikel 115, wonach die Höhe der Neuverschuldung die Höhe der Investitionen nicht überschreiten darf. Diller warf Bundesfinanzminister Theo Waigel vor, daß die Haushalte der letzten drei Jahre verfassungswidrig gewesen seien, weil die Regierung von Anfang an gewußt habe, daß ihre Rechnung nicht aufgehe. Er zitierte den Sachverständigenrat, der ausgeführt hatte: „Es entspricht nicht dem Grundsatz einer soliden Haushaltpolitik, daß in dem im November 1996 verabschiedeten Bundeshaushalt 1997 bereits im Januar 1997 Deckungslücken vermutet wurden.“
Finanzminister Waigel (CSU) verwies auf positive Wirtschaftsdaten. Die Preissteigerung liege unter zwei Prozent, für 1998 werde ein Wachstum von drei Prozent erwartet, „die Stimmungslage in der Wirtschaft ist seit längerem günstig“. Er lobte die Abschaffung der Vermögensteuer und der Gewerbekapitalsteuer, die Absenkung des Solidaritätszuschlags, die Gesundheits- und Rentenreform, die „Anpassung beim Kündigungsschutz“, die „Änderungen bei der Lohnfortzahlung“ sowie die Privatisierungsschritte bei Telekom und Lufthansa. „Kehren sie an den Verhandlungstisch zurück“, rief er der SPD unter Anspielung auf die Steuerreform zu. „Innerhalb von 24 Stunden könnten wir ein Konzept beschließen, daß ein Innovationsfeuerwerk auslösen würde“.
Vorerst kann sich Waigel über ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk freuen. In den nächsten Wochen werden 2,7 Milliarden Mark an nicht ausgegebenen Mitteln aus dem EU-Haushalt zurücküberwiesen. Markus Franz
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