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„Frauen als Frauen präsentieren“

Mit einem von Almsick-Manager Werner Köster erstellten neuen Medienkonzept buhlen die deutschen Handballerinnen vor der morgen beginnenden WM um Aufmerksamkeit  ■ Von Frank Ketterer

Blickfang sind die Fotos allemal. Die junge Grit Jurack, wie sie, nur mit einem langen Männerhemd bekleidet, auf einer alten Holztreppe sitzt, den Kopf auf das Knie gelegt und fast schon lolitahaft in die Kamera schauend. Oder Franziska Heinz, deren Frisur richtig wild aufgezwirbelt wurde, so, als habe sie gerade einen Sturm überstanden in ihren auf modern getrimmten Arbeiterklamotten, deren ärmelloses Karohemd vorne gerade so weit aufgeknöpft ist, daß man bequem Blick hat auf den schwarzen Spitzen-BH darunter. Oder Christine Lindemann, groß und blond, die an einer Wand lehnt wie normalerweise am Torpfosten, nur daß sie auf dem Foto in lässigen Jeans zu sehen ist, den obersten Knopf geöffnet, ebenso wie die schwarze Lederjacke, was Bauchfreiheit garantiert – und wiederum den BH, diesmal in Weiß, zur Geltung bringt. Und zu allerletzt das Gruppenfoto: ein Tor, zwei Bälle, sieben junge Frauen, alle gekleidet in Sportunterwäsche von einem der Sponsoren.

Wie gesagt, die Fotos sind Blickfang. Und sie haben schon jetzt ihren Zweck erfüllt: Man spricht und schreibt über die jungen Frauen, die auf ihnen abgebildet sind; man spricht und schreibt über die Frauen des deutschen Handball- Nationalteams. Das ist, auch wenn morgen die Weltmeisterschaft im eigenen Land beginnt, in dieser Häufigkeit keine Selbstverständlichkeit. Nicht in Deutschland, wo Frauenhandball lange bloß ein Anhängsel war vom Männerhandball. Frauen wurden trainiert wie Männer, nur etwas weniger hart, Frauen bekamen die gleichen Trikots wie die Männer, nur ein paar Nummern kleiner, Frauen sollten den gleichen Handball spielen wie die Männer.

„Das war doch Schwachsinn“, sagt Ekke Hoffmann, ein Mann zwar, aber als Frauen-Bundestrainer mehr mit der Materie befaßt als irgend jemand sonst. Wenn er an früher denkt, schaudert ihn kurz, bevor ihm der Begriff „Mannweiber“ über die Lippen huscht. Aber so hätten sich die Handballerinnen damals präsentiert. Wie Frauen eben, die Männerhandball spielen müssen.

„Man muß in den Frauenhandball das einbringen, was Frauen am besten können“, sagt der 53jährige Lehrer aus dem schwäbischen Bad Urach. Auf dem Feld und im Training heißt das bei ihm Schnelligkeit statt überbordender Athletik, Beweglichkeit statt übermäßigen Körpereinsatzes, Technik statt purer Kraftmeierei. „Damit kann man die Ästhetik unseres Sports vermitteln“, glaubt Hoffmann – und das wiederum läßt sich besser bei den Sponsoren verkaufen, von denen der Deutsche Handball- Bund (DHB) erstmals vier allein und ganz speziell für die Frauen an Land ziehen konnte.

„Frauen als Frauen präsentieren“ haben sich Hoffmann und der DHB zum Motto gemacht. „Wir wollen zeigen“, sagt der Bundestrainer, „daß hinter diesen Handballerinnen, die man vor kurzem noch fast ausschließlich in Männertrikots gesehen hat, Frauen stecken.“ Um das bewerkstelligen zu können, hat sich der DHB mit Werner Köster, dem Manager der Schwimmerin Franziska van Almsick, einen ausgebufften Profi an Bord geholt, der genau weiß, wie man Frauen an den Mann bringt. Und der hat nicht lange gefackelt, sondern besagte Fotos in Auftrag gegeben, die die Handballerinnen in jenes Licht rücken, das Aufmerksamkeit erregt – vor allem beim männlichen Sportpublikum.

Naürlich läßt sich auch in diesem Fall wieder trefflich darüber diskutieren, warum es so ist, daß Sportlerinnen erst ihre Haut zu Markte tragen müssen, bevor von ihnen Notiz genommen wird. Nachzufragen wäre beispielsweise bei der Turmspringerin Annika Walter, die bei Olympia in Atlanta Silber gewann, aber erst danach als Playboy-Nackedei richtig bekannt wurde. Ekke Hoffmann jedenfalls findet, daß man „nicht noch einen Knopf mehr aufmachen darf, um Aufmerksamkeit zu erregen“.

Da sähe es der Bundestrainer doch wesentlich lieber, seine Frauen würfen stets ein Tor mehr als ihre WM-Gegnerinnen, auch wenn er selbst die Erwartungshaltungen auf ein Minimum herunterzudimmen versucht. Geradezu „abartig“ findet Hoffmann die ihm überall aufgemachte Rechnung, daß der Heimvorteil bei der WM automatisch eine Medaille bedeuten müsse. „Dazu brauchte man eine Mannschaft, die vier, fünf Jahre zusammenspielt“, setzt der 53jährige solchen Gleichungen entgegen. Sein Team sei aber erst seit gut einem Jahr beisammen. Weshalb Hoffman Teilziele ausgegeben hat. Zuerst die Gruppenspiele, bei denen Deutschland in Sindelfingen auf Japan, Angola, Polen, Brasilien und Österreich trifft, überstehen, dann das Achtelfinale und ab Viertelfinale einfach schauen, wie weit es reicht. Ob das der deutschen Öffentlichkeit am Ende genug ist, wird sich zeigen. Wenn nicht, werden all die schönen Fotos schnell vergessen sein. Blickfang hin oder her.

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