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"Totale Kontrolle des Bürgers"

■ Klaus-Uwe Benneter, SPD-Linker und Rechtsanwalt, spricht sich gegen die Verschärfung des Polizeigesetzes aus, der die SPD-InnenpolitikerInnen schon grundsätzlich zugestimmt haben

Durch die Veränderung des Polizeigesetzes soll die Polizei künftig auf Straßen und anderen öffentlichen Orten ohne Anfangsverdacht kontrollieren können. Darauf haben sich InnenpolitikerInnen von SPD und CDU in einem Gesetzesentwurf geeinigt. In der SPD ist die Vorlage noch nicht beschlossen.

taz: Herr Benneter, was halten Sie von den verdachtsunabhängigen Kontrollen?

Klaus-Uwe Benneter: Mir muß jemand erst mal sagen, was solche Kontrollen bringen sollen. Ich glaube, daß sie nichts in der Sache bringen werden. Flächendeckende Überprüfung ist überflüssig. Das führt nur dazu, daß viele unbescholtene Bürger in eine totale Kontrolle einbezogen werden. Die gesetzliche Schwelle muß so hoch sein, daß kein Mißbrauch betrieben werden kann.

Augenscheinlich sehen das SPD-KollegInnen anders. Wird es da einen Konflikt geben?

Ich glaube nicht, daß es hier zu einem Konflikt kommen wird. Wir als Sozialdemokraten lassen uns nicht zu Maßnahmen treiben, die letzlich nicht einer konkreten polizeilichen Prävention dienen. Ich halte es für sinnvoller, die Polizei technisch besser auszurüsten und sie so auszubilden, daß sie neuen kriminellen Erscheinungen Paroli bieten kann.

Die InnenpolitikerInnen haben sich aber doch schon darauf geeinigt, diese verdachtunsabhängigen Kontrollen einzuführen.

Das ist aber noch überhaupt nicht mit unseren Rechtspolitikern abgesprochen. Hier müssen erst einmal einige ganz grundsätzliche Fragen geklärt werden. Zum Beispiel müssen diese staatlichen Eingriffe zuerst am Recht auf informationelle Selbstbestimmung überprüft werden: also der Schutz der Persönlichkeit vor staatlichen Eingriffen, wie es vom Bundesverfassungsgericht in den 80er Jahren bestätigt wurde. Es kann nicht sein, daß man hier mehr oder weniger zu einer umfassenden Kontrolle kommt oder sich dem Druck eines Stammtischgeschwätzes beugt.

Die Innenpolitikerin Heidemarie Fischer begründete die Einigung damit, daß der Druck der CDU zu groß geworden sei.

Ich halte nichts davon, sich hiervon drängen zu lassen. Erst mal muß herausgefunden werden, ob es überhaupt einen kriminalistischen Erkenntniswert gibt. Meiner Meinung nach ist es keinesfalls gerechtfertigt, solche flächendeckenden Überprüfungen zu machen, ohne daß eine konkrete Gefahr vorhanden ist. Für mich gilt: In dubio pro libertate, also im Zweifel für die Freiheit. Interview:Julia Naumann

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