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CDU stellt Polizeikritikerin kalt

■ Mobbing-Debatte gilt im AK-Polizei der CDU als Nestbeschmutzung

Polizeikritiker in den Reihen der CDU werden kurzerhand kaltgestellt. Die Sprecherin des 500 Mitglieder großen CDU-Polizei- Arbeitskreises, Bianca Müller, wurde bei der Vorstandswahl am Montag als Nestbeschmutzerin abgestempelt und mit der Begründung abgewählt, sie habe den Medien Materialien über Mobbing- Fälle in der Polizei zukommen lassen. Dabei handelte es sich um Artikel zum Thema Mobbing, die bereits im Polizeiruf, der Mitgliederzeitung des CDU-Arbeitskreises, veröffentlicht worden waren. Zudem hatte der Vorstand der Weitergabe zugestimmt.

Auslöser für das große Interesse der Presse im vergangenen Sommer am Thema Mobbing in der Polizei war der Selbstmord der 24jährigen Polizistin Stefanie L. gewesen. Die Eltern glauben, daß ihre Tochter von der Polizei in den Tod getrieben worden ist, weil sie von ihren Kollegen „systematisch fertiggemacht“ worden sei (die taz berichtete). Nach dem Tod von Stefanie L. meldeten sich in der Geschäftsstelle des CDU-Polizei-Arbeitskreises zahlreiche vom Mobbing betroffene Polizistinnen und Polizisten. Trotzdem wischten CDU-Fraktion und Polizeipräsident Hagen Saberschinsky die Aufklärungsbemühungen der Grünen im parlamentarischen Innenausschuß mit dem Standardsatz vom Tisch, Mobbing sei kein spezifisches Polizeiproblem und komme nur in Einzelfällen vor. Daraufhin hatten die Grünen beantragt, die Sprecherin des CDU- Polizei-Arbeitskreises, Bianca Müller, zu hören, die als selbst Betroffene über Mobbing in der Polizei berichten könne. Dazu kam es aber bis heute nicht.

Statt dessen wurde die Kriminalhauptkommissarin Müller am Montag von der Mitgliederversammlung des CDU-Polizei-Arbeitskreises von 31 der 50 Anwesenden als Sprecherin abgewählt. „Es war eine ganz normale Wahl. Eine persönliche Diskriminierung gab es nicht“, behaupetete der frischgekürte Vorsitzende des Arbeitskreises, Karl-Heinz Schmitz, gestern. Andere Versammlungsteilnehmer berichteten vom Gegenteil. Bianca Müller sei von einigen „in übelster Art persönlich angegriffen worden, weil sie sich nicht dem vorherschenden Korpsgeist und der falsch verstandenen Kameraderie beugte und dem Selbstmord einer Kollegin problembewußt nachging“, hieß es. Der innenpolitische Sprecher der CDU, Dieter Hapel, habe Bianca Müller zudem vorgeworfen, der CDU und Polizei durch ihr Verhalten großen Schaden zugefügt zu haben. Eine Stellungnahme von Dieter Hapel war gestern nicht erhaltbar.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Wieland, spricht von einer „schäbigen Retourkutsche der CDU“ dafür, daß Bianca Müller im Sommer bereit war, vor dem Innenausschuß als Mobbing-Betroffene auszusagen. Nach Angaben von Müllers Rechtsanwalt Christian Ströbele wurde die Kriminalhauptkommissarin vor längerer Zeit von ihrer Dienststelle strafversetzt, nachdem sie dort Opfer von sexuellen Belästigungen geworden war. In einem Rechtsstreit gegen das Land Berlin habe die Mandantin zwar obsiegt, warte aber immer noch darauf, als Schichtleiterin an ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren zu können. Statt dessen müsse Müller in Einzelschicht Kfz-Diebstähle bearbeiten. Plutonia Plarre

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