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Fröhlich umarmt, schief verheilt

■ Die schwere Kunst, zu erben: Wie die deutschen Exilanten 1933–1945 sich auf Heine beriefen

Ein solches Buch – es wäre so nützlich gewesen! Vor einem Jahr tagte an der Pariser Sorbonne Nouvelle eine Konferenz über „Emigrés allemands et autrichiens 1933–1945“, und eines ihrer Themen war die vielfältige Bezugnahme deutscher Flüchtlinge der Nazizeit auf Heinrich Heine. Die Mühe, die einschlägigen Zeitungsartikel aus Exilantenzeitschriften von Paris, Prag, New York bis La Paz, Bolivien, zusammenzustellen, nimmt einem nun Wolfgang Schopfs Lesebuch „Mit Heine im Exil“ ab.

In schmerzlicher Identifikation, aber auch mit Stolz berief man sich auf den Vorgänger Heinrich Heine: den brillanten Publizisten, den „wahren deutschen Ton“ treffenden Dichter, den zu Lebzeiten in Deutschland nicht gelittenen Weltbürger. Wovon die Flüchtlinge des Dritten Reichs freilich nur träumen konnten, war seine Wirkung nach Deutschland hinein und – ganz besonders – das „Eingebürgertsein“, die geradezu häusliche Geborgenheit in Paris, seine respektierte, bewunderte Position: sämtliche Literaturtouristen seiner Zeit suchten ihn auf.

Seine Bedeutung für die nach Hause gerichteten Sehnsüchte der nach Paris, Prag oder andere europäische Kapitale verschlagenen Exilanten ist klar. Daß aber in der Folge der deutschen Besatzung Frankreichs 1941, nach neuer und weiterer Flucht aus Lebensgefahr ein Heinrich-Heine-Klub in Mexiko konstituiert wurde, daß – wie eine bekannte Publikation im Titel hieß – „Heines Geist in Mexico“ beschworen werden mußte, daß sein Lutetia an den Popocatepetl verbannt wurde, veranschaulicht die eingetretene Katastrophe in aller Deutlichkeit.

Und war nicht von Anfang an die Wahl Heines als Galionsfigur jener, die das „Erbe“ des „wahren Deutschland“ zu hüten beanspruchten, eine sehr gewagte Beglaubigung? Patronat ja eines Juden, eines Schlemihl in den Augen der Bodenständigen, wenigstens eines problematischen Vorläufers der ästhetischen „Moderne“. Insofern die Exilierten nach Deutschland hin argumentierten und davon träumten, dort (wieder) Gehör zu finden, erscheint ihre Berufung auf ihn bemerkenswert naiv.

So ist denn aufschlußreich, daß der Heinrich-Heine-Klub in Mexiko von kommunistischen Intellektuellen mit einem Kalkül gegründet wurde, das bündnispolitisch gerade auf das jüdisch- deutschstämmige Bürgertum in Mexiko zielte. Auch sonst berief sich manche taktische Bestrebung im Exil auf Heine, ohne ihm immer gerecht zu werden. Ernst Fischer etwa, in der Sowjetunion, hob Heines preußenfeindliche Haltung enorm heraus: evident auf der Linie der von Moskau wieder gewünschten Eigenstaatlichkeit Österreichs. Besonders gern instrumentalisiert wurde aber – im Bemühen der Stalinisten um treue Verbündete aus naivem Bürgertum – jenes Bild, das Heinrich Heine von sich selber zeichnete in seiner Vorrede zur „Lutetia“: „Eben dieser Communismus, so feindlich er auch allen meinen Interessen und Neigungen ist, [übt] auf mein Gemüth einen Zauber, dessen ich mich nicht erwehren kann.“

So sehr Heine die Exilierten zu einer rasch und dankbar angenommenen Identifikation einlud, so deutlich wird an ihm die Problematik der „Kunst, zu erben“. In seinem Fall war kein Erbe anzutreten, ohne es vorab und erstmalig schwierig zu erwerben. So war seine Ehrenbürgerschaft im Exil kein Remedium gegen das „schiefe“ Verheilen der Wunde (um eine Formulierung Heiner Müllers aufzugreifen) – einer Wunde, die sich erst recht nicht in der fröhlichen Umarmung schließen mag, die ihm zum 200. Geburtstag zuteil wird. Karl Kröhnke

„Mit Heine im Exil“. Heinrich Heine in der deutschsprachigen Exilpresse 1933 bis 1945. Hrsg. von Wolfgang Schopf. Verlag Neue Kritik, Frankfurt am Main 1997, 167 S., 28 DM

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