: Hegel, Habermas und die T-Aktie
Mit Wirtschafts- und Rhetorikkursen will die Freie Universität ihre Studenten und Studentinnen für die Jobjagd fit machen. Zusatzkurse noch nicht in der Studienordnung ■ Von Josefine Janert
Berlin ist eine Hochburg arbeitsloser Hochschulabsolventen. Während es hier – quer durch alle Altersgruppen – knapp 22.000 Beschäftigungslose mit Universitätsexamen gibt, sind es in Hamburg nur rund 4.300. Das Projekt Berufsorientierung (BEO) der Zentraleinrichtung Studienberatung und Psychologische Beratung an der Freien Universität (FU) will Studierende für die Jobjagd fit machen. Gerade Geistes- und Sozialwissenschaftler sind laut BEO- Chef Dieter Grühn „geistig sehr beweglich und können sich schnell auf unterschiedliche Anforderungen einstellen“. Ihnen bietet BEO seit Oktober zweisemestrige Crash-Kurse in Betriebswirtschaftslehre an.
Die Teilnehmer lernen Marketing, Tabellenkalkulation und Textverarbeitung, besuchen Tutorien und müssen Klausuren schreiben. Anschließend treten sie ein zweimonatiges Praktikum bei einem Unternehmen an. Die Kurse sind studienbegleitend und nehmen sechs Semesterwochenstunden in Anspruch. Die Anmeldegebühr von 250 Mark wird laut Grühn für die Bezahlung von Referenten, Werbebroschüren und Plakaten verwendet.
Im Unterschied zu den regulären Wirtschaftskursen der Betriebswirtschaftsstudenten an der FU handelt es sich bei den BEO- Veranstaltungen „nicht um klassische Lehrveranstaltungen. Sie sind auf die Bedürfnisse der Teilnehmer zugeschnitten.“ Grühn sieht für Sozialwissenschaftler ein immer breiter werdendes Einsatzfeld – beispielsweise in Reisebüros, beim Verkauf maßgeschneiderter Versicherungsangebote und bei Anlageberatung. Er verweist auf eine Hamburger Studie, nach der rund ein Drittel der Magisterabsolventen der Examensjahrgänge bis 1995 in der freien Wirtschaft landeten. „Für den Berufseinstieg gibt es kein klares Muster“, betont er. „Häufig gelingt es über Praktika, Kontakte zu zukünftigen Arbeitgebern zu knüpfen.“ Der BEO- Kurs sei dafür eine gute Voraussetzung. Die Kenntnis von Hegel und Habermas reicht heute nicht mehr aus. Die Geisteswissenschaftlerin der Zukunft weiß auch das Auf und Ab der T-Aktie fachgerecht zu erläutern.
Zusätzlich zur Betriebswirtschaft bietet BEO für Studierende aller Fächer Trainings in Berufswegplanung, Bewerbung, Rhetorik, Präsentation und Projektmanagement an. Sie kosten 50 Mark und dauern in der Regel nur wenige Tage. „Wir haben vor der Kamera geübt, Referate zu halten“, berichtet Deike Diening, Studentin der Kommunikationswissenschaften, über ihr Rhetoriktraining. Am Ende erhielt Deike von der Kursleiterin eine schriftliche Einschätzung ihrer Fähigkeiten und eine Videokassette von ihrem Vortrag.
Die Teilnahme an den BEO- Kursen ist bislang noch von keiner Studienordnung der FU vorgeschrieben. „Wir wollen versuchen, diese Elemente künftig in Studiengänge zu integrieren“, sagt Dieter Grühn.
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