: Almosen und Spiele statt Uni-Reform
■ 40.000 Studierende haben gestern in Bonn erneut für eine Kehrtwende in der Hochschulpolitik demonstriert. Am Rande Prügeleien mit der Polizei. Ministerpräsidenten einigen sich auf Bafög-Trostpflaster und Fußball für alle
Bonn (taz) – Die Ausbildungsförderung (Bafög) siecht weiter. Die Ministerpräsidenten der Länder konnten sich gestern erneut nicht zu einer großen Bafög- Reform durchringen. Statt dessen sollen die Elternfreibeträge um sechs Prozent erhöht werden. Der Bafög-Satz, im Moment höchstens 980 Mark, wird um zwei Prozent erhöht. Damit war das von den Kultusministern vorgeschlagene „Bafög für alle“ vom Tisch. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) behauptete, man habe mit dem Beschluß die Studenten „nicht im Regen stehenlassen wollen“. Die Ministerpräsidenten beschlossen gleichzeitig Fußball für alle: Die Spiele der Fußballnationalmannschaft und andere wichtige Sportereignisse sollen weiterhin für alle ZuschauerInnen gebührenfrei zu empfangen sein (siehe dazu Seite 4).
Parallel zum Bafög-Gipfel im Kanzleramt demonstrierten wieder 40.000 Studierende. Dabei kam es erstmals seit Beginn der Proteste zu Prügeleien mit der Polizei, als eine Gruppe von rund 1.000 Demonstranten versuchte, die Bannmeile des Bundestages zu stürmen. Die Polizei setzte Schlagstöcke ein. Rund 200 Demonstranten kamen immerhin bis unmittelbar vors Kanzleramt.
Das Gros der Studierenden zog auch gestern friedlich in Richtung Hofgarten. Studentensprecher Raimund Berg sagte, er könne es verstehen, wenn einzelnen der Kragen platze.
Wie beim ersten Marsch auf Bonn vor drei Wochen forderten die Studenten, die Novellierung des Hochschulrahmengesetzes auszusetzen. Studiengebühren müßten verboten, mehr Mitbestimmungsrechte für die Studierenden garantiert werden. Die Studierenden verlangten, baldmöglichst ein elternunabhängiges, bedarfsdeckendes Bafög einzuführen. „Wir hoffen, daß diese Demonstration den studentischen Protest in das nächste Jahr trägt“, sagte Berg.
Der studentische Dachverband fzs bezeichnete den Bafög-Kompromiß als reine Kosmetik. „Das ändert nichts an dem grundlegenden Problem, daß nur 15 Prozent Bafög bekommen“, sagte Martin Hellwig. Die Bafög-Koordinatorin der Kultusminister, Helga Schuchardt, zeigte sich bitter enttäuscht. „Das ist eine Stöpsellösung, die nur verhindert, daß das Bafög vollends ausläuft“, sagte die niedersächsische Wissenschaftsministerin der taz. Schuchardt und Ministerpräsident Beck meinten, daß es nach der Bundestagswahl im kommenden September zu einer echten Reform des Bafög komme. Die SPD-regierten Länder wollen das sogenannte Drei-Körbe-Modell einführen. Darin ist ein Sockelbetrag von 400 Mark für alle 1,9 Millionen Studierenden enthalten. Ariel Hauptmeier/cif
Tagesthema Seite 3, Debatte Seite 12
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