: Die Geschichte vom Sturmflutschutz
■ Anhörung in Emden zum Emssperrwerk: Küstenschutz oder Werftensubventionierung oder Frevel an der Natur?
Walter Bünker fürchtet weder den Teufel noch den niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder noch den Chef der Papenburger Meyer-Werft, Bernhard Meyer. Einen großen Unterschied sieht das ostfriesische Original, Greenpeaceaktivist und Sprecher der Bürgerinitiative Diekloopers, zwischen den dreien nicht. Zu Beginn des Erörterungstermins zum Emssperrwerk in der Emder Nordseehalle überreichte er dem Verhandlungsleiter der Bezirksregierung Weser-Ems, Burckhard Struthoff, eine Narrenkappe: „Damit wir alle wissen, was wir von ihrer Rede zu halten haben.“Der Saal tobte.
In dieser Woche diskutierten die Gegner und Befürworter über Sinn und Zweck und Folgen eines Sperrwerkes in der Ems. Naturschützer behaupten, es diene nur dazu, daß die Papenburger Meyer-Werft immer größere Luxusliner bauen und sie über die Ems zur Nordsee führen kann. Landes- und Bezirksregierung möchten die Barrikade in der Ems als Bollwerk gegen Sturmfluten verkaufen. „Katastrophe“, rufen sämtliche Umweltverbände. Staut das Sperrwerk die Ems so stark, daß tatsächlich Schiffe mit mehr als 7,30 Meter Tiefgang durch die Ems geleitet werden können, ersticke der ohnehin sauerstoffarme Fluß. Die Überschwemmungen würden wertvolle Vogelbrutgebiete zerstören. Das künstlich geschaffene Hochwasser würde genau das bewirken, was das Sperrwerk zu verhindern vorgibt, nämlich die Deiche gefährden.
Die Bezirksregierung steht unter Druck. Sie plant für Anfang Februar den ersten Spatenstich. Gelder werden vom Land Niedersachsen bereits zusammengekratzt. Fast 400 Millionen Mark soll das Bauwerk kosten, die Hälfte zahlt der Bund. Wie genau das Sperrwerk finanziert werden soll, weiß zur Zeit niemand. Voraussetzung für den Baubeginn ist der Abschluß der öffentlichen Erörterung. Danach ergeht der Planfeststellungsbeschluß, und es kann gebaut werden. „Wir werden jede Möglichkeit zur Klage wahrnehmen“, kündigen alle Umweltverbände an. Eins haben sie bislang erreicht: Die öffentliche Erörterung wurde nicht wie vorgesehen beendet. Die Nordseehalle ist schon für eine Fortsetzung im Januar angemietet.
Um sich nicht der illegalen Subventionierung schuldig zu machen, aber trotzdem eine Expansion des mit 2.000 Arbeitsplätzen neben VW größten Arbeitgebers in der Region zu ermöglichen, erfand die Bezirksregierung die Geschichte mit dem Sturmflutschutz. Offizielle Lesart: Das Sperrwerk dient dem Schutz vor Sturmfluten und zufällig auch der Meyerwerft.
Doch selbst mit dieser Begründung kommt die Bezirksregierung und mit ihr der Verhandlungsleiter der Erörterungstermine in Emden, Burkhard Struthoff, ins Schwimmen. Auf die Frage der ehemaligen Sprecherin der niedersächsischen Grünen, Meta Jansen-Kusz, welche grundlegende Veränderung an der Küste den Generalplan Küstenschutz außer Kraft setze und ein Sperrwerk nötig mache, antwortet Struthoff: „Da gibt es ein Gutachten.“Das sei aber unter Verschluß. Auf detaillierte Fragen der Einwender von BUND, NABU, WWF und der niederländischen Waddenvereinigung, schweigt der Mann. Oder er lehnt Anträge ab. Oder er brüllt entnervt. Auf die Frage, ob denn Schiffe nach Passieren des Sperrwerkes problemlos in die Nordsee schippern könnten, weiß Stuthoff keine Anwort. Wasserexperten vom BUND weisen nach, daß trotz des Sperrwerkes auf der Strecke seewärts nach Emden die Ems vertieft werden müßte, was das Sperrwerk eigentlich verhindern sollte.
„Die murksen hier nur noch rum“, kommentiert eine Zuhörerin erschöpft. Für sie ist die Anhörung gelaufen. „Wir müssen Kräfte sammeln für die Fortsetzung im Januar.“ Thomas Schumacher
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