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Blitz-Eis legt die Hauptstadt flach

■ Eisregen verwandelte die Innenstadt in eine Rutschbahn und den Berufsverkehr in ein Chaos. Feuerwehr rief Ausnahmezustand aus, BVG stoppte Busse, Verwaltung erließ "Notsalzplan". Eis zwang Diepgen in de

Gefrierender Nieselregen hat gestern die Straßen der Stadt in spiegelglatte Flächen verwandelt. Autos, Busse und Lkw bewegten sich seit dem Nachmittag in der so verkehrsberuhigten Zone nur noch im Schrittempo vorwärts. FußgängerInnen schlitterten auf der Suche nach einem Halt über die Gehwege. Polizei, Feuerwehr und Notdienste lösten Alarmpläne aus, gelangten aber selbst nur im Kriechgang zu den Einsatzorten. Im Autoverkehr kam es zu Hunderten Karambolagen mit Blechschäden, große Unfälle blieben aber bis Redaktionsschluß aus. Die Stadtreinigung streute Salz an wichtigen Kreuzungen.

Schuld an dem Blitz-Eis war eine Regenfront, die auf den bis 30 Zentimeter tief gefrorenen Boden traf und Straßen und Gehwege sofort vereiste. Ältere Leute waren vielfach auf die Hilfe anderer Passanten angewiesen. Der Busverkehr kam fast im gesamten Stadtgebiet zum Erliegen, viele Autofahrer ließen ihre Karossen stehen, U- und S-Bahn waren durch die UmsteigerInnen stundenlang überfüllt. Ganze zwei Stunden brauchte ein Autofahrer vom Südstern in Kreuzberg bis nach Mitte.

Um 14 Uhr rief die Feuerwehr, die mit 100 Rettungswagen im Einsatz war, den Ausnahmezustand aus und alarmierte alle Freiwilligen Feuerwehren und die Hilfsorganisationen. Die Polizei registrierte allein zwischen 13 und 16 Uhr etwa 900 Verkehrsunfäflle.

Auf Anweisung von Wirtschaftsstaatssekretär Dieter Ernst (CDU) wurde der „Große Notsalzplan“ ausgerufen. 480 Fahrzeuge der BSR streuten 3.000 Kilometer Straße, 850 Handreiniger sicherten 7.500 Fußgängerüberwege. Die Brandenburger Polizei meldete Autounfälle im Zehn-Sekunden-Takt.

Bei der Feuerwehr gab es mehr Alarmierungen als Einsatzfahrzeuge. Leichtverletzte mußten zeitweise bis zu einer halben Stunde auf einen Rettungswagen warten. Auch bei der Verkehrsverwaltung standen die Telefone nicht still: Aufgeregte Autofahrer wollten wissen, was Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU) „gegen das Eis tun will“.

Da ist nicht viel möglich. Berlin sei nun mal ein „Klein-Sibirien“, meinte Hasso Vogt vom Meteorologischen Institut der FU in Dahlem. Die Situation werde sich erst bei einer spürbaren Erwärmung bessern, die für heute erwartet wird. „Das letzte Blitz-Eis dieser Art, wo keiner laufen oder kriechen konnte, war vor drei Jahren“, sagte Vogt.

Auch der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) wurde aufs Glatteis geführt. Nach der Verabschiedung des SFB-Intendanten Günter von Lojewksi im Haus des Rundfunks in Charlottenburg mußte er unfreiwillig die Nähe zum Wahlvolk suchen: Er ließ den Dienstwagen stehen und benutzte in Bewachung seiner Bodyguards die U-Bahn. Vom Alex aus sei der Regierende dann ins Rote Rathaus „geschlittert“, hieß es aus der Senatskanzlei. dpa/ADN/wahn/bpo

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