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Der Wert des Ausgleichs

Der US-Staat Oregon macht Klimapolitik: Kraftwerke werden nur genehmigt, wenn Betreiber durch Technik oder Ausgleichsprojekte das Klima schützen  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Noch müssen viele Details des Kiotoer Klimaschutzprotokolls ausgehandelt werden. Die UN- Fachleute brüten noch darüber, wie der Handel mit Verschmutzungsrechten funktionieren soll. Wie können Unternehmen in den Industrieländern Ersatzmaßnahmen in den Entwicklungsländern schaffen? Wie lassen sich Kohlenstoffsenkungen gegenrechnen? Oregon probiert das schon aus.

Nach Verabschiedung der Gesetzesvorlage 3.283 kann in Oregon ein Kraftwerk nur bauen, wer den Kohlendioxidausstoß um 17 Prozent unter den üblichen technischen Standard senkt. Diese Minderung kann durch Techniken wie Kraftwärmekoppelung oder durch Ausgleiche wie Aufforstung oder Solartechnik erzielt werden. Der Kraftwerkbetreiber kann sich von der Verpflichtung auch loskaufen, damit andere mit dem Geld Maßnahmen finanzieren.

Die bisher einzigartige Regelung kam zustande, weil sich ein gutgemeintes Gesetz als unpraktikabel erwies. Wer bisher in Oregon Kraftwerke bauen wollte, mußte nachweisen, daß dafür Bedarf war. Die Regelung sollte preistreibende Überkapazitäten verhindern und zugleich die Luftverschmutzung gering halten. In 20 Jahren gelang es keinem Kraftwerkbetreiber in den Markt einzudringen, was den bestehenden Stromlieferanten eine Monopolstellung verschaffte. Doch der Bedarf an Energie stieg, und Anbieter brauchten weiter nichts zu tun, als ihre Kraftwerke in den Nachbarstaaten zu bauen und den Strom über die Grenze zu leiten.

Eine Neuregelung war nötig. So wurde ein Projekt ausgeschrieben, das erstmals eine andere Auflage machte: Den Zuschlag sollte bekommen, wer am wenigsten Kohlendioxid freisetzt. Gewonnen hat PacifiCorp, ein unabhängiger Kraftwerkbetreiber. Das Unternehmen war an dem Verfahren noch aus einem anderen Grund interessiert: „Irgendwann kommt eine Kohlendioxidregelung auf uns zu“, sagt Peter Van Alderwerlt, von PacifiCorp. „Wir wollten zeigen, daß man Emissionen reduzieren und trotzdem wettbewerbsfähig bleiben kann.“

Von der Umwelt-Consulting- Firma Trexler beraten, präsentierte PacifiCorp nicht nur ein modernes Gaskraftwerk mit Kraftwärmekoppelung und niedrigen Kohlendioxidemissionen, sondern Projekte, die den Ausstoß neutralisieren sollten. Dazu gehörten Aufforstungen im stark abgeholzten Oregon sowie in Bolivien, Wiederherstellung von durch Hochwasser beschädigten Uferzonen und der Bau von Sonnenkollektoren in Sri Lanka. PacifiCorp rechnete vor, daß sie der Ausgleich von einer Tonne Kohlendioxid 57 Cent kostete.

Was als einmalige Sondergenehmigung geplant war, geriet zum Standard. Die Musterrechnung für Investoren in den Energiesektor Oregons sieht heute so aus: Ein gasbeheiztes Kraftwerk nach dem Stand der Technik mit 250 Megawatt Leistung darf bei voller Auslastung in 30 Jahren 30 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen. 17 Prozent weniger wären 5,1 Millionen Tonnen. Nun kann der Kraftwerkbetreiber selbst seine Reduktions- oder Ausgleichsmaßnahmen vornehmen oder bei Baubeginn 5,1 Millionen mal 57 Cent, also 2,9 Millionen Dollar in den für diesen Zweck gegründeten Oregon Climate Trust einzahlen, der davon Ausgleichs- und Umweltprojekte finanziert. Der Ort Clamath Falls zum Beispiel, der sich auf einer geothermischen Falte befindet, will schon lange mehr Haushalte an den Dampf aus dem Erdinneren anschließen. Bislang fehlte dafür das Geld.

Viele Kraftwerkbetreiber werden sich von der Pflicht, den Kohlendioxidausstoß herabzusetzen oder auszugleichen, loskaufen, weil sie so ein langwieriges Genehmigungsverfahren und den Streit über den Wert ihrer Ausgleichsmaßnahme vermeiden. Einige Betreiber aber investieren lieber selbst in Ausgleichsmaßnahmen, weil sie die Reduktion für weniger als 57 Cent pro Tonne erzielen können. PacifiCorp rechnet vor, daß bei der Aufforstung in Bolivien die ausgeglichene Tonne Kohlendioxid nur 30 Cent kostet. Zwar ist die Rechenmethode noch umstritten, mit der der Gegenwert eines Waldes ermittelt wird. Aber stimmt die Rechnung, hätte PacifiCorp Emissionsgutscheine übrig.

Die Ideen für den Ausgleich kommen von der Umweltgruppe Renewable Northwest Project (RNP). Sie hat die Gesetze angeschoben und stellt Maßnahmenkataloge zusammen. RNP arbeitet dabei wie ein Investmentbroker, der Fonds zusammenstellt, in dem die Anteile gut gemischt sein sollen. Pete West vom RNP hält eine Mischung aus Aufforstung, Sonnenenergie, Wärmedämmung und thermische Abfallverwertung für ideal. Das Fondsmanagement ist bestrebt, die Kosten für den Kohlendioxidausgleich weiter zu senken. So könnten die Käufer des Fonds sogar eine Rendite erhalten – in Form von verkäuflichen Emissionszertifikaten.

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