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Der blutige Traum eines Söldners

Wie im Traum sei alles passiert: der Überfall, die Schüsse, die Schwerverletzten. Die Quittung: 15 Jahre Knast  ■ Von Elke Spanner

Jeder hat sich, wie es scheint, in Kroatien bei Beutewaffen bedienen können. Auch Marko B., der als Freiwilliger im Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien mitmischte. Schwerbeladen kehrte er nach Deutschland zurück. Im Mai kamen seine Mitbringsel dann in einem Aldi-Markt in Hamburg-Lohbrügge zum Einsatz. Dort schoß der 36jährige einer Kassiererin mit einer abgesägten Schrotflinte in den Hals. Die Frau wird zeitlebens vom Hals ab querschnittsgelähmt bleiben. Ein Mann, der den ehemaligen Söldner auf seiner Flucht behinderte, liegt mit schweren Schußverletzungen immer noch im Krankenhaus.

Wegen versuchten Mordes, versuchter schwerer räuberischer Erpressung, schweren Raubes und schwerer Körperverletzung verurteilte das Landgericht Hamburg Marko B. gestern zu 15 Jahren Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslang beantragt. Doch das Gericht billigte B. eine starke Persönlichkeitsstörung zu, die sich strafmildernd auswirkte. Vor Gericht wirkt B. eher grau. Die Hände hat er wie ein Priester vor dem Bauch gefaltet. Die goldgeränderte Brille ist so groß, daß sein Gesicht dahinter verschwindet. Seine einzige Bewegung ist der unsichere Versuch, mit seiner Anwältin Blicckontakt aufzunehmen.

Die Bluttat, so erklärte er im Prozeß, soll eher mit ihm geschehen sein, als daß er selbst sie gesteuert habe. Glaubt man seiner Darstellung, so passierte alles „wie im Traum“. Beim Vorbeifahren am Aldi-Markt sei ihm „spontan“die Idee eines Überfalls gekommen. Zwei Maschinenpistolen, zwei Revolver, eine schußsichere Weste, die Schrotflinte, 400 Stück Munition und eine Sturmhaube habe er wie immer im Auto bei sich gehabt. Schwerbewaffnet und maskiert sei er in den Supermarkt gestürmt, habe „Geld her, Überfall!“gebrüllt. Nur in die Luft habe er schießen wollen. Dabei sei ihm die Kassiererin in die Schußlinie geraten.

Das Gericht glaubt Marko B. nicht. Geplant habe er den Überfall, und die Kassiererin habe lediglich gesagt, daß sie noch einen Code eingeben müsse, ehe die Kasse sich öffne. Das allein habe den Täter schon überfordert. Aufgrund seines „stark unterentwickelten Selbstbewußtseins“habe diese minimale Widerstandshandlung ihn aus der Fassung gebracht. Angesichts seiner „grotesk anmutenden Überbewaffnung“, so der Vorsitzende Richter Helmut Brauer, habe er mit Widerstand nicht gerechnet.

Daß er sich dermaßen ausstaffiert und „lächerlich kostümiert“hatte, wertete das Gericht als Ausdruck seiner Persönlichkeitsstörung. Die hatte ihm auch die psychiatrische Sachverständige attestiert. Mit seinen Schüssen, so ihre Interpretation, habe er eigentlich seine Mutter treffen wollen.

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