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China entläßt seine Massen

■ 1998 sollen 600.000 Menschen in der Textilindustrie auf die Straße geschickt werden. Die asiatische Finanzkrise belastet Investitionen und Exporte. Faule Kredite auch in China

Peking (dpa) – Bei der Reform der chinesischen Staatsunternehmen wird es im neuen Jahr Massenentlassungen geben. Allein in der Textilindustrie werden nach Silvester 600.000 Menschen auf die Straße gesetzt. Insgesamt sollen in den kommenden drei Jahren 1,2 Millionen TextilarbeiterInnen entlassen werden. Das kündigte Vizepremier Wu Bangguo am Samstag auf einer Arbeitskonferenz von Vertretern der Textilindustrie an.

Von allen Staatsunternehmen sei die Textilindustrie am schwersten zu sanieren. Deswegen stehe sie im neuen Jahr auch im Mittelpunkt der Umstrukturierung der Staatsbetriebe, so Wu Bangguo. Die Verluste hätten sich von 1992 bis 1996 auf 10,6 Milliarden Yuan (2,3 Milliarden DM) verfünffacht. Immerhin soll der Fonds, mit dem faule Kredite in dem Sektor beglichen werden, auf 19,73 Milliarden Yuan (vier Milliarden DM) verdoppelt werden.

Auch Chinas Finanzsystem soll tiefgreifend umgewandelt werden. Das kündigte am Wochenende Zentralbankchef Dai Xianglong vor dem Ständigen Ausschuß des Nationalen Volkskongresses in Peking an. Eine Finanzkrise wie in anderen asiatischen Staaten sei in China zwar „unwahrscheinlich“, doch dürften die versteckten Gefahren nicht übersehen werden. Dai Xianglong nannte vor allem „die hohe Zahl fauler Kredite“ staatlicher Geschäftsbanken. Auch kritisierte er, daß die Behörden Finanzinstitute genehmigten, die nicht streng genug überwacht würden. Unregelmäßigkeiten gebe es auch an den Aktienmärkten. „Wenn diese Probleme nicht umgehend behandelt werden, könnten sie unser Kredit- und Bankensystem ernsthaft untergraben und die nationale Wirtschaft und soziale Stabilität behindern“, zitierte ihn die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua.

Die asiatische Finanzkrise hat China bisher vor allem indirekt belastet: Die Auslandsinvestitionen gehen zurück, weil internationale Anleger jetzt in Asien insgesamt vorsichtiger sind. Und der Export bricht ein, weil die Nachbarländer ihre Produkte aufgrund der massiven Abwertung ihrer Währungen wesentlich billiger anbieten als zuvor. Damit sind ausgerechnet die beiden wichtigsten Motoren der chinesischen Wirtschaft betroffen.

Die Krise trifft China in einer Zeit, in der es erste Anzeichen gibt, das das Angebot die Nachfrage übersteigt und der inländische Konsum stagniert. Zwar kann China weiter mit – für westliche Verhältnisse – traumhaften Wachstumsraten von etwa neun Prozent aufwarten. Doch jeder Prozentpunkt weniger bedeutet neue Schwierigkeiten, die Millionen Arbeitsuchenden unterzubringen und Entlassungen wegen der Reform der Staatsbetriebe aufzufangen. Das aber ist eine Frage der sozialen Stabilität. Immer öfter ist von Unruhen von Arbeitern zu hören, die auf die Straße gesetzt oder nicht mehr bezahlt werden.

Die Finanzkrise ist auch ein Schlag für die Pläne des 15. Parteitages, mit großen Staatsbetrieben in Hongkong an die Börse zu gehen. „Das macht ihnen einen Strich durch die Rechnung“, sagte ein europäischer Botschafter. Auch werden die Kapitalströme chinesischer Geschäftsleute aus Südostasien sowie die Investitionen aus Japan und Südkorea zurückgehen. Dabei waren die Auslandsinvestitionen ohnehin schon stark rückläufig. 1996 wurden nach chinesischen Angaben noch 55,2 Milliarden Dollar verwirklicht; in den ersten zehn Monaten 1997 waren es 35 Milliarden Dollar. Im neuen Jahr erwarten Experten einen weiteren Rückgang.

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