Die Zukunft mit Tschechien beginnt jetzt

■ Deutsch-tschechischer Zukunftsfonds gestern mit Notenwechsel auf den Weg gebracht. Wirksame Hilfe für Opfer des Nationalsozialismus soll rechtzeitig kommen

Berlin (taz) – Die tschechischen Überlebenden der Naziokkupation haben seit gestern Grund zur Hoffnung: Der tschechische Außenminister Jaroslav Sedivy und der deutsche Botschafter in Prag, Anton Roßbach, tauschten Noten aus, durch die der deutsch-tschechische Zukunftsfonds und das binationale Gesprächsforum gegründet werden. Damit haben sich auch auf deutscher Seite die Kräfte durchgesetzt, die keine weitere Verzögerung beim Aufbau des Fonds hinnehmen wollten. Bundeskanzler Kohl hatte noch kürzlich die Gründung des Fonds auf Januar verschieben wollen.

Beide Seiten haben vereinbart, noch im Januar die je vier Vertreter des Verwaltungsrats der Stiftung zu nominieren. Dieses Gremium wird entscheiden, welche Gelder welchem Projekt zuzuwenden sind. Ein Sekretariat wird eingerichtet, das Projektanträge prüft und die Entscheidungen des Verwaltungsrates vorbereitet.

Die erfreulichste Nachricht enthält Artikel 2 der Stiftungsurkunde. In der deutsch-tschechischen Erklärung, die nach endlosem Gezerre am 21. Januar 1997 unterzeichnet worden war, hieß es zum Zukunftsfonds unter Ziffer 7 noch allgemein: „Die deutsche Seite bekennt sich zu ihrer Verpflichtung und Verantwortung gegenüber all jenen, die Opfer nationalsozialistischer Gewalt geworden sind. Daher sollen die dafür in Frage kommenden Projekte insbesondere Opfern nationalsozialistischer Gewalt zugute kommen.“ An dieser Formulierung war in der Öffentlichkeit dreifache Kritik geübt worden: Sie sei zu vage, suggeriere, daß für die Projekte alle Zeit der Welt zur Verfügung stehe und schließe vor allem individuelle Zahlungen an überlebende Naziopfer aus.

Hinsichtlich der ersten beiden Kritikpunkte enthält die Stiftungsurkunde einen Fortschritt. Es heißt jetzt dort: „Die Mittel des Fonds werden zu einem überwiegenden Teil für Projekte zugunsten von Opfern nationalsozialistischer Gewalt verwandt. Besondere Bedeutung haben dabei die Rechtzeitigkeit und die Wirksamkeit der Projekte.“ Mit dieser Formulierung soll sichergestellt werden, daß, wenn das erste Projekt steht, und noch Naziopfer leben, es denen tatsächlich zugute kommt. Ungeklärt ist weiter die Frage individueller finanzieller Beihilfen aus dem Fonds. Zumindest ist nicht ausgeschlossen, daß der Verwaltungsrat als „Projekt“ ein Sozialwerk errichtet, das eben diese Aufgabe wahrnimmt.

Scharfe Auseinandersetzungen hatte es im Vorfeld des Notenwechsels zu der Frage gegeben, ob Vertreter der Sudetendeutschen Landsmannschaft Mitglieder des Verwaltungsrats werden dürfen. Dies hatte die Bundesregierung angekündigt. Die tschechische Seite wies demgegenüber darauf hin, daß der Fonds tschechischem Recht und damit dem neuen tschechischen Stiftungsgesetz unterstehe. Dieses Gesetz schließt generell potentiell Begünstigte vom Verwaltungsrat der Stiftung aus. Zu diesem Kreis der Ausgeschlossenen zählen auch Vertreter der Sudetendeutschen Landsmannschaft, hatten sie doch Ansprüche an den Fonds angemeldet. In der Satzung heißt es jetzt lediglich, daß jede Seite ihre Mitglieder ernennt und die andere Seite über die beabsichtigten Ernennungen informieren muß. Also verantworten die Deutschen und Tschechen selbständig „ihre“ Verwaltungsräte, allerdings, so zumindest die Auffassung der tschechischen Seite, im Rahmen der gültigen tschechischen Gesetze.

Vizeregierungssprecher Schmülling erklärte in Bonn, „daß die im deutsch-tschechischen Verhältnis besonders engagierten Sudetendeutschen in diesen Dialog aktiv einbezogen und in den neugeschaffenen Gremien angemessen vertreten sein werden“. Diese Stellungnahme läßt offen, ob auch in der Landsmannschaft aktive Sudetendeutsche zu Mitgliedern des Verwaltungsrates ernannt werden. Sollte das der Fall sein, dann ist im Januar eine weitere Auseinandersetzung mit der tschechischen Regierung vorprogrammiert.

Zumindest die CSU, die seit jeher als Patronin der Sudetendeutschen Landsmannschaft auftritt, hat bereits Position bezogen. Alois Glück, Fraktionsvorsitzender im Bayerischen Landtag, ließ gestern verlauten, es stehe der deutschen Seite selbstverständlich frei, wen sie für das Gremium benenne. Und: „Die Vertretung der Sudetendeutschen im Aufsichtsgremium des deutsch-tschechischen Zukunftsfonds ist eine Selbstverständlichkeit.“ Christian Semler