: Die Strahlenquelle in der Wohnung
■ Für Gesundheitsprobleme werden häufig Sendeanlagen verantwortlich gemacht, obwohl die Grenzwerte eingehalten werden
Wenn vor ein paar hundert Jahren in einem Dorf eine Kuhherde dahinsiechte, dann war der Schuldige schnell gefunden: Natürlich hatte eine mißliebige Frau oder ein Fremder die Herde verhext. Die Zeiten haben sich geändert: Wenn heute eine Kuhherde auf merkwürdige Weise erkrankt, dann ist ein Mobilfunk-Sendemast schuld.
Die meisten Beschwerden und Anfragen, die etwa der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) bekommt, beziehen sich auf Mobilfunkmasten, „Beschwerden über Fernsehtürme sind eher selten“, berichtet der BUND-Experte Bernd-Rainer Müller. Dabei senden Fernsehtürme mit mehr als hundertfacher Leistung. Kurzwellensender strahlen sogar zehntausendfach stärker.
Nun gibt es im oberbayerischen Schnaitsee immerhin einen Fernseh- und einen Mobilfunksendemast, doch das elektromagnetische Feld, das Professor Günter Käs von der Bundeswehruniversität München im Kuhstall gemessen hat, entspricht einer Strahlungsleistung von weniger als einem Tausendstel Mikrowatt pro Quadratzentimeter – zweihunderttausendmal weniger als der gesetzliche Grenzwert. Die Forscher vom unabhängigen Ecolog-Institut in Hannover empfehlen einen Vorsorgewert, der rund 20mal kleiner ist als der amtliche Grenzwert. Die gemessene Strahlungsleistung liegt sogar noch unter dem Wert, den der besonders kritische BUND fordert: Der verlangt wegen der wissenschaftlichen Unsicherheit einen Vorsorgewert, der 10.000fach unter dem gesetzlichen Grenzwert liegt. „Jenseits dieses Wertes haben wir bislang keine Beschwerden gehabt“, sagt Bernd- Rainer Müller. Dabei beruht der Vorsorgewert, den der BUND propagiert, nicht auf wissenschaftlicher Gewißheit, sondern ist lediglich eine Vorsichtsmaßnahme wegen der wissenschaftlichen Ungewißheit. Der gemessene Wert in Schnaitsee liegt noch zwanzigmal unter dem BUND-Wert und soll gleich für Mißbildungen verantwortlich sein? Unwahrscheinlich.
Doch ein Fernsehturm, von dem auch noch Mobilfunk aus gesendet wird, wird als bedrohlicher empfunden als Gegenstände, von denen man einen direkten Nutzen hat: Ein Radiowecker etwa oder ein Babyphon. Tatsächlich liegen hier die Werte oft deutlich näher an dem gesetzlichen Grenzwert und längst jenseits der von kritischen Forschern empfohlenen Werte: Ein schlechter Radiowecker, direkt am Bett plaziert, erzeugt ein elektrisches Feld, daß 30 bis 60mal höher ist, als das Ecolog- Institut zur Vorsorge empfiehlt. Ein Abstand von mehr als einem Meter oder ein Batterie-Wecker schafft das Problem übrigens aus der Welt. Eine Untersuchung des Deutschen Krebsregisters und der Uni Braunschweig über die Wirkung von Hochspannungsmasten ergab, daß nur in 3 von 17 ausgesuchten Wohnungen mit starken elektromagnetischen Feldern die Erhöhung auf Hochspannungsmaste zurückzuführen waren. Meistens waren es hausinterne Feldquellen. Matthias Urbach
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