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Sorgen, Beschwernisse und ein leergeräumtes Buffet

■ Der amerikanische Botschafter John C. Kornblum eröffnet die Feiern zum 50jährigen Jubiläum der Freien Universität. Er sieht eine „großartige Universität“ im „Druck des Wandels“

Das Jubiläum kommt gerade zur rechten Zeit. Zwar jährt sich die Gründung der Freien Universität (FU) erst am 4. Dezember zum fünfzigsten Mal, doch begannen die Feiern bereits am Dienstag abend mit einer Rede des amerikanischen Botschafters John C. Kornblum. Die Eile hat einen Grund: Nach dem Fall der Mauer ist die FU in den Schatten der öffentlichen Aufmerksamkeit geraten, die Zahl der StudentInnen ist seither um ein Drittel gesunken, die der Professoren wird sich halbieren. Da wirkt es wie Balsam auf die geschundene Uni-Seele, daß der Botschafter die heroische Vergangenheit der FU als „Außenposten akademischer Freiheit“ rühmte, ohne den „der Totalitarismus in Europa Fuß gefaßt hätte“.

Ob solche Beschwörungen der FU heute noch weiterhelfen, schien aber auch Kornblum zu bezweifeln. „Keine Stadt hat sich in den letzten Jahren stärker verändert als Berlin“, fügte er hinzu, „die Freie Universität und die anderen großartigen Hochschulen in Berlin werden sich dem Druck des Wandels nicht entziehen können.“

In der Tat blieben die Probleme der FU bei der Feierstunde nicht außen vor. „Die FU geht auch in diesem Jahr ihrer ganz normalen Arbeit nach“, meinte zwar Uni- Präsident Johann W. Gerlach, doch ging seine Begrüßung in Pfeifkonzerten unter. Applaus dominierte nur, als er die StudentInnen fragte: „Gibt es den Gedanken, Ihre Sorgen und Beschwernisse dem Auditorium vorzutragen?“ Daraufhin verlas ein Student die Resolution der Vollversammlung, die soeben die Fortsetzung des Streiks bis zum 14. Januar beschlossen hatte. Die StudentInnen sähen „wenig Grund zum Feiern“. Dennoch labten sie sich an Wein, Sekt und Brezeln. „Das Buffet haben andere schon zu sich genommen“, konnte Gerlach der versammelten Prominenz nur noch verkünden.

Während Kornblums Rede beruhigten sich die Gemüter. Der Botschafter nahm es dankbar zur Kenntnis und meinte, es habe „schon Zeiten gegeben, wo man überhaupt kein Wort reden konnte“. Einige Zwischenrufe forderten „Freiheit für Kuba“. Aus dem Einwurf, „wir wollen euren Kapitalismus nicht“, schloß Kornblum, „daß es viel Geschichte in diesem Raum gibt“.

Auf die FU ging er aber nur am Rande ein. Statt dessen wandte er sich wolkig-oberflächlich den „Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“ zu. Die USA hätten sie schon gemeistert, „in Europa hat der Prozeß gerade angefangen“. Amerika habe jedoch kein „Erfolgsmodell“ gepachtet, das sich „direkt auf andere Länder übertragen“ lasse. Schließlich mahnte er die Deutschen noch, die „strategische Entscheidung“ der Türkei nicht zu mißachten, „sich am Westen zu orientieren“. Als ein Student nach den Menschenrechtsverletzungen am Bosporus fragte, nahm es Kornblum als Beleg der deutschen Unsitte, Fragen durch „Redebeiträge“ zu ersetzen. Erst aus dem Mund des Politik-Professors Hajo Funke schien ihm dieselbe Frage einer Antwort wert.

In geradezu realsozialistischer Manier zitierte der Botschafter mehrfach „historische Reden“ seines Präsidenten. Die FU hofft nun, selbst zum Schauplatz einer solchen zu werden: Das Präsidialamt bemüht sich, Bill Clinton als Redner für den Festakt am 4. Dezember zu gewinnen. Ralph Bollmann

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