: Mietverträge und Arztrechnungen als Beweise für den „Lebensmittelpunkt“ Jerusalem
Palästinenser, die in Ostjerusalem geboren sind, werden nach israelischem Gesetz wie Ausländer behandelt, die sich vorübergehend in Israel aufhalten. Juristisch unterliegen sie dem Einwanderergesetz, obwohl eigentlich Israel der „Einwanderer“ oder besser „Eindringling“ ist, der 1967 ganz Jerusalem eroberte und später annektierte.
Rund 170.000 Palästinenser verfügen derzeit über israelische Ausweise. Etwa 70.000 von ihnen leben außerhalb der Stadtgrenzen von Jerusalem, meist im Westjordanland. Der häufigste Grund, die Stadt zu verlassen, ist der Mangel an Wohnraum und Arbeitsmöglichkeiten. Palästinenser, die im Ausland lebten und arbeiteten, erhielten nach 1967 eine Ausreisegenehmigung, die jedes Jahr erneuert werden mußte. Das Recht auf Rückkehr war nie in Frage gestellt. Nur ein ununterbrochener Aufenthalt von sieben Jahren im Ausland führte zum Verlust der Aufenthaltsberechtigung. Das war 28 Jahre lang israelische Praxis.
Seit zwei Jahren aber entzieht das Innenministerium Palästinensern die Ausweise mit der Begründung, daß ihr „Lebensmittelpunkt“ nicht mehr in Jerusalem sei. Berufen kann sich die Behörde dabei auf entsprechende Gesetze und Verordnungen, sowie auf Beschlüsse des obersten israelischen Gerichtshofs. Eine Vorwarnung, daß derjenige, der die Stadt, und sei es auch nur für ein oder zwei Jahre, verläßt, eventuell die Aufenthaltsberechtigung verliert, hat es nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Betselem nie gegeben.
Kommt das Innenministerum einmal zu der Entscheidung, daß das „Lebenszentrum“ der betroffenen Person nicht mehr Jerusalem ist, verfällt das Recht auf eine israelische Ausweiskarte automatisch. Das Innenministerium muß seine Entscheidung weder begründen, noch den Betroffenen anhören. Der oberste israelische Gerichtshof hat die Vorgehensweise der Behörde gebilligt.
Die Beweispflicht über den „Lebensmittelpunkt“ obliegt den Palästinensern. Das Innenministerium fordert hierzu die Vorlage eines Mietvertrags für eine Wohnung innerhalb der von Israel erweiterten Stadtgrenzen und den Nachweis über die regelmäßige Zahlung von Kommunalsteuern. Außerdem muß der Schulbesuch der Kinder belegt werden, eventuelle medizinische Behandlungen sowie ein Arbeitssplatz und die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen. Und nicht zuletzt eine genaue Aufstellung des Antragstellers über seine Aufenthalte in Israel und im Ausland. Fehlt auch nur ein Nachweis, wird der Antrag laut Angaben von Betselem abgelehnt.
Die Menschenrechtsorganisation hat überdies eine Reihe von Fällen dokumentiert, in denen Palästinensern nach zwei oder drei Jahren Auslandsaufenthalt die Ausstellung oder Erneuerung eines Ausweises verweigert wurde. Unter diesen Gesetzen, so die Schlußfolgerung von Betselem, sind Palästinenser Fremde in ihrer eigenen Stadt. Das grundlegende Recht, im Land ihrer Geburt leben und jederzeit dorthin zurückkehren zu können, wird ihnen vorenthalten. gb
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