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Hundt beißt Henkel

■ Tarifputsch des Industrielobbyisten nicht durchdacht. Betriebsräte keine Gewerkschaft

Köln (dpa) – Die Wirtschaftslobby gerät in Streit über die Äußerungen von Industriepräsident Hans-Olaf Henkel. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt widersprach seinem Kollegen Henkel scharf, die Flächentarifverträge nicht ernst nehmen zu müssen. „Für die deutsche Wirtschaft gilt selbstverständlich, daß geschlossene Verträge eingehalten werden. Das verlangen wir auch von unseren Vertragspartnern, den Gewerkschaften“, sagte Hundt bei den 34. Bitburger Gesprächen. Hundt nannte im gleichen Atemzug die Henkel-Idee nicht „durchdacht“, Betriebsräten zu erlauben, mit ihren Firmenchefs über Lohn und Gehalt zu verhandeln. Einer solchen Änderung „werden die deutschen Arbeitgeber niemals ihre Hand reichen“, sagte Hundt.

Henkel hatte Anfang der Woche als „vorbildlich“ bezeichnet, daß in Ostdeutschland „flächendeckend gegen die Flächentarife verstoßen“ werde. Über Arbeitsbedingungen müßten die Betriebsräte – an den Gewerkschaften vorbei – selbst mit den Arbeitgebern verhandeln dürfen. Ohne Henkels Namen zu nennen, konterte Hundt: „Wer dem Betriebsrat das Recht geben will, per Betriebsvereinbarung über Lohn und Gehalt zu entscheiden, macht den Betriebsrat zur arbeitgeberfinanzierten Zwangsgewerkschaft. Das liegt nicht im Interesse der deutschen Arbeitgeber.“ Dann würde den Betriebsräten auch das Streikrecht zuwachsen. Ihre Macht würde deutlich ausgeweitet, und die Gefahr von „teuren innerbetrieblichen Kompensationsgeschäften“ steige. „Aus der Gewerkschaft oder aus dem Arbeitgeberverband kann man austreten“, sagte Hundt. Der Betriebsrat würde dagegen auch für jene Arbeitnehmer entscheiden, die mit seiner Politik nicht einverstanden seien.

Hundt verteidigte auch die Flächentarifverträge. Ihre Reform komme voran und werde weitergehen. „Die Tarifparteien haben sich als reformfähig erwiesen. Ich bin überzeugt davon, daß die Regelungsspielräume für die Betriebspartner erweitert werden. Das ist die richtige Antwort und nicht der Ruf nach dem Gesetzgeber.“ Die Tarifverträge seien bereits jetzt weitaus flexibler als öffentlich dargestellt. Dafür sorgten Öffnungsklauseln. Arbeitgeber und Betriebsräte hätten so die Möglichkeit, vom Tarif abweichende Vereinbarungen zu treffen.

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