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Europas Grenzen sollen dichter werden

■ Die Türkei unterschreibt die gemeinsame Erklärung der europäischen Polizeiexperten zur Abwehr kurdischer Flüchtlinge nicht. Italiens Militär zwingt vor Albanien gewaltsam ein Schiff mit 200 kurdischen

Rom/Ankara (taz/dpa) – Das Treffen der Polizei- und Sicherheitschefs aus den Staaten des Schengener Abkommens sowie Griechenlands und der Türkei am Donnerstag in Rom hat in der Sache keine konkreten Entscheidungen gebracht. Die türkische Delegation war mit einem Entschließungsvorschlag angereist. Danach sollten erstens alle türkischen Staatsbürger, die illegal in ein EU- Land eingewandert sind, repressionsfrei zurückkehren können, darunter, zweitens, auch solche, die sich selbst als Kurden bezeichnen (eine Bezeichnung, die in der Türkei als „Separatismus“ verboten ist), sofern diese vom Land, in dem sie aufgegriffen werden, innerhalb von 48 Stunden zurückgeschickt werden. Und drittens sollten weitere Fluchtversuche durch einen intensiven Daten- und Informationsausstausch der einzelnen Polizeistellen verhindert werden.

Während die EU-Staaten Punkt eins guthießen, konnten sie den zweiten Punkt mehrheitlich nicht anerkennen: Wem es gelingt, europäischen Boden zu betreten, der hat Anspruch auf ein ordentliches Asylverfahren, und das kann nicht innerhalb von 48 Stunden abgewickelt werden. Schließlich gab die türkische Delegation nach – um gleichzeitig eine weitere Forderung nachzuschieben: Die Schengen-Staaten müßten die Aktivitäten militanter Minderheiten als „Terrorismus“ qualifizieren und ihrerseits die Auslieferung aller zusagen, die von der Türkei als Terroristen eingestuft werden – auch solche, die bereits Asyl erhalten haben. An dieser Stelle war wohl zeitweise auch bei der deutschen Delegation der Verhandlungsspielraum ausgeschöpft.

So wollte denn auch die Türkei die am Schluß augehandelten Maßnahmen zunächst nicht unterschreiben. Die Regierung wolle den Katalog erst überprüfen. Allerdings wolle sie auch weiterhin verstärkt gegen mutmaßliche illegale Auswanderer vorgehen. Italienische Zeitungen meinten außerdem, die Türkei melde nicht zuletzt Bedenken an, weil die Europäische Union dem Beitrittswunsch Ankaras unlängst erneut eine Abfuhr erteilt hatte. Italiens Ministerpräsident Romano Prodi hat sich bereits dafür ausgesprochen, die harte Haltung der EU in der Beitrittsfrage noch einmal zu überdenken.

Die Maßnahmen, auf die sich die europäischen Polizeiexperten schließlich einigten, werden sich auf verstärkte Grenzkontrollen, erhöhte Sicherheitsvorkehrungen sowie den Informationsaustausch konzentrieren. Einzelheiten wurden nicht genannt.

Gestern nacht verhinderte die italienische Marine an der albanischen Küste das Auslaufen mehrerer Flüchtlingsboote. Vor der albanischen Stadt Durräs hätten die Militärs sechs Schlauchboote mit insgesamt 200 kurdischen Flüchtlingen zur Umkehr gezwungen, teilten die Behörden in Rom mit. Bei der Aktion seien auch Schüsse gefallen. Es gebe keine Verletzten.

An der Grenze zu Frankreich sind in den vergangenen Tagen nur noch wenige Kurden bei dem Versuch aufgegriffen worden, illegal nach Deutschland einzureisen. Nach Angaben des Bundesgrenzschutzes (BGS) wurden in den letzten drei Tagen nur insgesamt vier irakische Kurden bei Kehl an der illegalen Einreise gehindert. Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) bezeichnete diesen Rückgang gestern bei einem Besuch in Kehl als „erfreulich“. W. R.

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