: Die SPD übt den Angriff auf CDU und PDS
Mit modernster Kommunikationstechnik und neuestem Datenmaterial startet die SPD ihre „Offensive '98“. In 32 ausgewählten Kreisen sollen die Direktkandidaten von CDU und PDS geschlagen werden ■ Aus Bonn Markus Franz
„Offensive '98“ prangt auf der Front des Rednerpultes. „Wir stehen vor Ihnen als die kommende Regierungspartei Deutschlands“, sagt SPD-Chef Oskar Lafontaine. „Es geht um Angriff. Wir werden der Koalition von jetzt an keine Pause mehr gönnen“, sagt Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering. Dann schicken beide mit einem Mausklick eine Neujahrsbotschaft an die 352 hauptamtlichen SPD-Geschäftsstellen, die mit der Zentrale vernetzt sind. Mit ihrem neuen, hausinternen „Intranet“ hat die SPD nach eigenen Angaben die „modernste Kommunikationsplattform“ aller Parteien. Die SPD macht offenbar Ernst damit, die Bundestagswahl 1998 gewinnen zu wollen.
Der Erfolg bei der Bundestagswahl am 27. September dieses Jahres besteht zu 80 Prozent aus Organisation und Strategie, hat Müntefering einmal gesagt. Dementsprechend methodisch gehen die Sozialdemokraten nun vor. In 32 ausgewählten Wahlkreisen startet die SPD eine Erststimmenkampagne. Durch einen besonders intensiven Vorwahlkampf sollen Wahlkreise gewonnen werden, in denen erstens die CDU knapp vorne liegt, zweitens CDU-Prominenz die Nase vor hat und drittens die PDS mit hohen Stimmenanteilen rechnen kann.
Die Bonner SPD trägt dazu mit einem speziellen Training für Wahlkampfhelfer, Service für Flugblätter, Anzeigen, Pressekonferenzen sowie Wahlkampfauftritten der Bonner Prominenz bei. Für die PDS bedeutet das besondere Konkurrenz in fünf Ostberliner Bezirken sowie in Rostock und Schwerin. Mindestens drei Direktmandate muß die PDS erringen, um so ihren erneuten Einzug in den Bundestag zu sichern – der Sprung über die Fünf-Prozent- Hürde gilt als unwahrscheinlich. Die SPD will zwar ihre Aktion nicht als Anti-PDS-Wahlkampf verstanden wissen, doch das sieht die PDS anders. PDS-Sprecher Hanno Harnisch meint, die Kampagne der Sozialdemokraten im Osten sei „ganz klar auf die PDS“ gemünzt. Dennoch, so Harnisch, werde die SPD keinen dieser Wahlkreise gewinnen.
Die SPD geht bei ihrem Wahlkampf so planmäßig wie möglich vor. Alle Wahlkreise wurden nach der Struktur der Bevölkerungsschichten untersucht. Wie hoch ist der Anteil der Wohlhabenden, der Studenten, der Familien, der Ausländer? Und wie wohnen sie?
Im Wahlkreis 157 Ludwigshafen, den Bundeskanzler Kohl 1994 gewonnen hat, gibt es einen besonders hohen Anteil von Familien mit Kindern. Die SPD-Strategen planen daher, in Ludwigshafen besonders die Familienfreundlichkeit der SPD zu betonen. Schließlich wollen die Sozialdemokraten insbesondere Arbeitnehmer und Familien steuerlich entlasten und das Kindergeld erhöhen. In Gebieten, wo viele Singles wohnen, werden eben andere Schwerpunkte gesetzt. Hausbesuche und das punktuelle Verteilen von Informationsmaterial sollen dafür sorgen, daß die Informationen bei den passenden Adressaten ankommen.
Einen Vorsprung vor der politischen Konkurrenz verspricht sich die SPD von ihrem Intranet, das sie innerhalb eines halben Jahres aufgebaut hat. Über 1.000 Mitarbeiter der Partei wurden über den Umgang mit dem Computernetz geschult, über das die Zentrale in Bonn die Wahlkreise in Sekundenschnelle mit den neuesten Entwicklungen und insbesondere Argumentationsmaterial versorgen kann. Die Wirtschaftswoche urteilte kürzlich: „CDU-Generalsekretär Peter Hintze muß sich warm anziehen. Die SPD hat die neueste und beste Technik eingekauft. Hier hat sie eindeutig die Nase vorn.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen