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Hauptstadt-Werbung auf neuem Kurs

■ Chef der Marketing-Gesellschaft "Partner für Berlin" und Wirtschaftssenator Pieroth verabschieden sich von irrealen Leitbildern und fordern mehr Realismus. Mittelpunkt das Papieres "Das neue Berlin" sind

Der Senat und die Marketing- Gesellschaft „Partner für Berlin“ haben in Sachen Berlin-Werbung gestern eine überraschende Kurskorrektur vorgenommen. „Das Warten auf den Umzug großer deutscher Unternehmen nach Berlin“, sagte der Chef der Berlin- Partner, Volker Hassemer, hieße auf das falsche Pferd zu setzen. Statt unrealistischen Zielen hinterherzurennen, sollte der Blick auf das Machbare konzentriert werden. Was das heißt, formulierten Hassemer und Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) so: „Das Tagesgespräch Berlins ist das über seine Probleme. Wir wollen die Stärken zum Thema in Berlin und zum Gespräch über Berlin machen.“

Realistische Stärken statt Scheitern an den Superlativen – die Abkehr von den Leitbildern der „europäischen Dienstleistungsmetropole“ ist auch der Hinweis auf die zunehmende Diskrepanz zwischen dem verkauften Bild und der Wirklichkeit. Erst vor kurzem hatte deshalb der Intendant der Berliner Festspiele, Ulrich Eckhardt, das Festhalten an den Leitbildern der Superlative kritisiert. Berlin, so Eckhardt, brauche noch nicht einmal ein Leitbild, weil es schon existiere – als Ort der produktiven Widersprüche. Über die Probleme zu sprechen sei deshalb manchmal glaubwürdiger, als ein Bild zu produzieren, das nicht stimme.

Derlei Kritik hat sich Hassemer offenbar zu Herzen genommen. Zwar will Hassemer lieber über Stärken denn über Probleme reden. Irreale Leitbilder will er aber nicht mehr benutzen. „Diese Politik war ein Fehler“, räumte Hassemer ein. „Heute würde ich niemandem, der eine Karriere in der Bankenbranche anstrebt, mehr raten, nach Berlin zu ziehen.“ Die Bankenmetropole sei nun einmal Frankfurt, und auch die großen Versicherungen würden in München bleiben.

Folglich enthalten die vier Stärkebereiche, die in dem gestern vorgestellten Papier „Das neue Berlin“ formuliert werden, weniger konkrete Zielsetzungen als vielmehr zu nutzende Potentiale. Auch von Begriffen wie Metropole wurde die neue Werbung befreit. Die vier Stärken heißen nun: „Berlin ist im Aufbruch“, „Berlin liegt in der Mitte der neuen Geographie Europas“, „Berlin ist die neue Hauptstadt; Entscheidungszentrum und größte Stadt des wirtschaftlich stärksten Landes in Europa“ und „Berlin verbindet urbane Dichte mit Reichtum an Institutionen, Kultur und Landschaft“.

Auch Pieroth gab sich gestern ganz realistisch. Noch immer, so der Wirtschaftssenator, sei die Innovationsdichte in Westdeutschland größer als in Berlin, obwohl die Dichte an Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen hier sehr viel größer sei. Pieroth will deshalb noch mehr als bisher auf die Innovationskraft der Existenzgründer setzen. Aus den Berlin- Brandenburgischen Gründertagen im Herbst sollen deshalb nun deutsche Gründertage werden.

Zwar betonte Hassemer gestern, daß das Papier mit dem Senat einschließlich des Regierenden Bürgermeisters abgestimmt sei. Allzugroß ist das Vertrauen des einstigen Stadtentwicklungssenators an seine ehemaligen Kollegen – mit Ausnahme Pieroths – freilich nicht: „Wenn nur der Senat das Bild der Diskussion über Berlin bestimmen würde, wäre das schlecht.“ Uwe Rada

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