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Schneller aus dem Berufsleben gekickt

■ In den letzten fünf Jahren verdoppelte sich die Zahl der arbeitslos gemeldeten Ausländer

Nürnberg (taz) – Ende Dezember waren 563.315 Ausländer arbeitslos, das heißt, jeder fünfte Erwerbsfähige hatte keinen Job. Ihre Arbeitslosenquote ist mit 21,5 Prozent fast doppelt so hoch wie die der Deutschen. „Da sammelt sich sozialer Sprengstoff an, es muß gegengesteuert werden“, betont Elmar Hönekopp vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Seit 1974, also ein Jahr nach Inkraftreten des Anwerbestopps, sind ausländische Arbeitnehmer überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen. Allein in den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl der ausländischen Arbeitslosen in Ost und West verdoppelt. Die IAB-Statistiker legen Zahlen vor. 1980 lag die Arbeitslosenquote bei Deutschen bei 3,8 Prozent, fünf Prozent betrug sie bei Ausländern. Elf Jahre später, 1991, waren 6,3 Prozent Deutsche arbeitslos gemeldet, aber 10,7 Prozent Ausländer. Im vergangenen Jahr lag die Quote bei Deutschen bei 11,8 Prozent, exakt 21,5 Prozent bei Ausländern. Studien des IAB ergaben, daß Ausländer in den letzten Jahrzehnten „sowohl ein höheres Zugangs- als auch ein höheres Verweilrisiko zu tragen“ haben. Sie werden schneller arbeitslos und bleiben es auch länger. Ausländische Frauen sind dabei deutlich schlechter gestellt, sowohl im Vergleich zu ausländischen Männern als auch zu deutschen Frauen.

Als Gründe für das erhöhte Arbeitsplatzrisiko nennen die Arbeitsmarktforscher die „Qualifikationsdefizite“ der Ausländer. Während etwa 80 Prozent aller deutschen Berufsanfänger eine Ausbildung im dualen Ausbildungssystem durchlaufen hatten, verfügt nur etwa ein Fünftel aller Türken, Griechen und Italiener über eine Ausbildung in Deutschland. Tendenz fallend, denn die Orientierung hin zur unmittelbaren Erwerbstätigkeit nach der Schule ist vor allem bei jungen Türken ungebrochen.

Eng verbunden mit der niedrigen Qualifikation ist eine einseitige Verteilung auf Wirtschaftszweige des verarbeitenden Gewerbe. Gerade dort wurde aber in den letzten Jahren ein rapider Stellenabbau betrieben. Mangels Ausbildung ist auch der Weg in den Dienstleistungsbereich wie zu Banken oder Versicherungen versperrt. „Viele landen daher in Friseursalons und Wäschereien“, betont IAB-Volkswirt Hönekopp.

Für ein höheres Arbeitsplatzrisiko sorgt nicht nur die mangelnde Qualifikation, sondern auch die Nationalität, die wiederum die Zugänge nicht nur zu Ausbildungsplätzen, sondern auch zu Weiterbildungsmaßnahmen der Arbeitsämter erschwert. „Der Diskriminierungseffekt bei Einstellungen ist nachgewiesen“, betont Hönekopp. „Wenn jemand sich als Deutscher bewirbt, hat er einfach größere Chancen.“

Warum es jedoch je nach Herkunftsland bemerkenswerte und über die Jahre hinweg stabile Unterschiede in den Arbeitslosenquoten gibt, können sich die Arbeitsmarktforscher nicht so recht erklären. Während Portugiesen, Spanier und Jugoslawen seit Jahren die niedrigsten Arbeitslosenquoten aufweisen, liegen die Zahlen für Griechen, Italiener und Türken doppelt so hoch. Bei Türken sind es mittlerweile 25 Prozent. Über alle Nationalitäten hinweg versuchen sich viele Familien auf eigene Faust durchzuschlagen. Diese Selbständigen stellen zumeist mehrere Familienangehörige an. Doch die Lebensdauer der kleinen Unternehmen ist in der Regel gering, und für viele endet dieser Weg in der Arbeitslosigkeit.

„Besonders problematisch“ findet es IAB-Forscher Hönekopp, daß in solchen Kleinbetrieben kaum ausgebildet wird und die Kinder keinen Berufsabschluß haben. „Die nachwachsenden Generationen müssen stärker am Bildungssystem beteiligt werden“, lautet daher seine Forderung. Doch die Tendenz ist gegenläufig. Die deutsche Konkurrenz auf dem Ausbildungsmarkt ist größer, die Lehrstellen sind dagegen knapper geworden. Eine schnellere Einbürgerung, so Hönekopp, wäre „hier von Vorteil“.

Mit einer Entwicklung ist Hönekopp jedoch zufrieden: „Die Tendenz, im Falle der Arbeitslosigkeit ins Heimatland zurückzugehen, hat rapide abgenommen.“ Hier hätten sich die schlechten Erfahrungen, welche die im Zuge der Rückkehrförderung Mitte der 80er Jahre zurückgereisten Ausländer in ihren Heimatländern gemacht hätten, „einfach herumgesprochen“. Bernd Siegler

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