: Roeder versetzt Bonn in Unruhe
■ Heute nimmt der Bundeswehr-Untersuchungsausschuß seine Arbeit auf. Der Neonazi Manfred Roeder soll in Bonn nicht als Zeuge geladen werden, um ihm kein Forum zu bieten
Berlin (taz) – Der Neonazi Manfred Roeder wird aller Voraussicht nach nicht als Zeuge vor dem Bundeswehr-Untersuchungsausschuß aussagen. Auf diese Linie hätten sich alle Parteien vor der Weihnachtspause verständigt, erklärte gestern die verteidigungspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, Angelika Beer. Ein endgültiges Votum sollte auf der gestrigen Sitzung der Obleute des Verteidigungausschusses fallen, die bei Redaktionsschluß noch andauerte.
Der Verteidigungsausschuß wird sich heute in Bonn als Untersuchungsausschuß konstituieren und neben Roeders Auftritt vor der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg zahlreiche weitere rechtsextremistische Vorfälle in der Truppe klären. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Walter Kolbow, betonte gestern, man wolle Roeder kein „Forum bieten“. Ein verurteilter Rechtsterrorist wie Roeder habe nicht die Qualität, die ein Zeuge vor dem Ausschuß haben müßte, sagte Kolbow: „Nämlich nach bestem Gewissen auszusagen und dies auch zu beeiden.“
Roeders für heute angekündigter Besuch des Ausschuß als Zuschauer [siehe Bericht unten] wurde in Bonn beunruhigt zur Kenntnis genommen. Kolbow erklärte, man könne wegen Roeder die Öffentlichkeit „ja nicht ganz ausschließen“. Man überlege aber, wie man ihn dennoch möglichst „weit vom Ausschuß“ fernhalte. Er hoffe insbesondere, daß die Medien Roeders Auftritt ignorieren.
In Parlamentskreisen war gestern kurzeitig überlegt worden, ob man Roeder nicht doch als Zeuge zum Komplex Führungsakademie benennt und die dann folgende Sitzung unter Ausschluß der Öffentlichkeit abhält. Das Problem bliebe aber: Roeder könnte zu Tagungsordnungspunkten anderer rechtsextremer Vorfälle in der Bundeswehr, die möglicherweise wieder öffentlich sind, erneut als Zuschauer im Saal Platz nehmen und Aufmerksamkeit auf sich lenken.
Die Bündnisgrünen wollen hauptsächlich die Strukturen der Bundeswehr durchleuchten. Es müsse geklärt werden, wieso Roeder überhaupt eingeladen werden konnte. Offensichtlich funktionierten die internen Frühwarnsysteme der Bundeswehr nicht in dem Maße, wie es notwendig sei, sagte Beer. Roeder selbst könne dazu nichts sagen. Konsequenterweise findet sich sein Name im mehrseitigen Untersuchungsauftrag der Bündnisgrünen erst im allerletzten Absatz, im Antrag der SPD fehlt er ganz. Beer will vielmehr Mitarbeiter der Hamburger Führungsakademie und eventuell des Verteidigungsministeriums als Zeugen laden. Erneut warf Beer Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) vor, die Vorfälle zu verharmlosen. „Rühe wäre es lieb, wenn das Problem auf den Vorfall Roeder reduziert werden könnte“, so Beer gegenüber der taz. Man müsse aber untersuchen, warum die Bundeswehr „offensichtlich für rechtsextreme und nationalautoritär eingestellte Menschen eine höhere Anziehungskraft“ habe.
Der umstrittene Ausschußvorsitzende Kurt Rossmanith, der den Nazigeneral Eduard Dietl als soldatisches und menschliches Vorbild für die Bundeswehr bezeichnet hatte, hat sich unterdessen in einem Brief an Beer für nicht befangen erklärt. Die bündnisgrüne Wehrexpertin hatte den CSU-Politiker in einem Brief gebeten, den Vorsitz niederzulegen. Formal kann Rossmanith wegen Befangenheit nicht abgelehnt werden. Beer kann deshalb nur an Rossmaniths Einsicht appellieren, was sie zu Beginn der heutigen Sitzung erneut tun wird.
Unterdessen wurden mehrere Untersuchungsberichte der Hardthöhe zu den einzelnen Vorgängen mit rechtsextremistischem Hintergrund bekannt. Darin wird Roeders Auftritt in Hamburg als „eklatanter Fehlgriff“ bezeichnet. Für ein „einheitliches rechtsextremistisches Verhaltensmuster“ der Soldaten würden die Fälle aber keinen Anhalt geben. Severin Weiland
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