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Hosen runter vor laufender Kamera

Heute sagt US-Präsident Bill Clinton im Paula-Jones-Verfahren aus. Seine Erklärung zum Vorwurf sexueller Nötigung wird auf Video aufgezeichnet. Das erspart ihm einen peinlichen Auftritt vor Gericht  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Heute wird der Präsident der Vereinigten Staaten, Bill Clinton, das Arbeitstempo, das er in den ersten Wochen dieses Jahres vorlegte, für ein oder zwei Stunden unterbrechen müssen. Er wird in eine Limousine steigen und sich in das Büro seines Anwalts Robert S. Bennet fahren lassen. Dort wird sich Clinton vor eine Videokamera setzen und seine Aussage im Fall Paula Jones, geborene Corbin, machen. Paula Jones wird zugegen sein, aber kein Fragerecht haben.

Die Richterin, die den Fall am 26. Mai vor einem Gericht in Little Rock/Arkansas verhandeln wird, wird mit dem Büro in telefonischer Verbindung stehen. Das Video wird bei der Hauptverhandlung die Anwesenheit des Präsidenten ersetzen. So wird der Einschränkung Rechnung getragen, die das Oberste Gericht in seinem Urteilsspruch am 27.5. 1997 gemacht hatte. Das Gericht hatte entschieden, daß niemand, auch nicht der Präsident, über dem Gesetz stehe und daß Paula Jones nicht auf das Ende von Clintons Amtszeit warten muß, um ihr Recht vor einem ordentlichen Gericht zu erstreiten.

Was sich wirklich an jenem 8.Mai des Jahres 1991 in einem Zimmer des Hotels Excelsior in Little Rock ereignete, wissen nur zwei Menschen: Bill Clinton und Paula Corbin. Ob die für den Mai dieses Jahres anberaumte Verhandlung, bei der Paula Jones dem damaligen Gouverneur des Bundesstaates Arkansas vorwirft, ihre Ehre verletzt, ihre Bürgerrechte mißachtet und ihr seelischen Schaden zugefügt zu haben, den Hergang klären wird, darf bezweifelt werden. Zur Verhandlung steht ein sexueller Übergriff, den man eher in den Palästen absolutistischer Herrscher denn in einem demokratischen Staat für möglich halten würde.

Doch der Fall ist längst über Pikanterie und Peinlichkeit hinausgewachsen. Er ist zu einem schier unentwirrbaren Drama aus Anschuldigung und politischer Ranküne geworden, an dessen Ende es nur Verlierer geben wird.

Der Fall begann vor genau vier Jahren, als die konservative Zeitschrift The American Spectator einen Artikel veröffentlichte, in dem ein Danny Ferguson als Gewährsmann dafür zitiert wird, daß sich der damalige Gouverneur Clinton junge Frauen in Hotelzimmer bringen ließ. Ferguson will dabei eine nicht näher identifizierte Frau namens Paula zu Bill Clinton gebracht haben. Paula Jones nahm diesen Artikel zum Anlaß, vor die Presse zu treten und zu behaupten, daß sie diese Paula sei und daß sie sich durch diesen Artikel sowie das damalige Benehmen Clintons in ihrer Ehre verletzt fühle.

Clinton soll sich in besagtem Hotelzimmer entblößt und Jones zu oralem Sex aufgefordert haben – was Clinton leugnet. Inzwischen wurde bekannt, daß Ferguson und seine Kollegen mit einem gewissen Cliff Jackson, einem Intimfeind Clintons, um ein Buchgeschäft, zumindest aber um bestbezahlte Jobs im Gegenzug für ihre Enthüllungen gefeilscht hätten. Ferguson soll eine Million verlangt, Anderson einen 100-000-Dollar-Job angeboten bekommen haben.

Jones' angeblicher Trumpf ist, daß sie ein besonderes Merkmal an den Genitalien des Präsidenten erkannt haben will, an dem sie ihn einwandfrei identifizieren könnte. Sie hat dazu der Richterin eine versiegelte Aussage übergeben, an die die Anwälte Clintons gern herankommen würden. Diese besonderen Merkmale beziehen sich nach Auskünften von Kennern der Prozeßmaterie, die Jeffrey Toobin in der Novemberausgabe der Zeitschrift New Yorker zitiert, auf Länge und Umfang des Gliedes sowie den Winkel der Erektion. Toobin macht geltend, daß Paulas genaue Beschreibung des Penis nicht zu ihrer Aussage paßt, daß sie sofort aus dem Zimmer gerannt sei. Was den seitwärts weisenden Winkel der Erektion anbelangt, gibt es in der Tat eine Krankheit, die eine solche Verformung hinterläßt. Der Marine-Urologe, der den Präsidenten untersucht hat, bezweifelt, daß sich diese Krankheit bei Bill Clinton nachweisen läßt.

Das Bild der Paula Jones in der Öffentlichkeit hat in den letzten vier Jahren eine Achterbahnfahrt durchgemacht. Die erste Reaktion des Weißen Hauses machte aus ihr eine Frau, die für einen 100-Dollar-Schein zu jeder Aussage bereit sei. Die Newsweek stilisierte sie erst zu einer modernen Jean d'Arc hoch, ließ sie dann nach den Enthüllungen des New Yorker fallen. Mit ihren Anwälten überwarf sie sich, weil sie sich einer außergerichtlichen Einigung widersetzte, bei der ihr Clinton 750.000 Dollar gezahlt sowie bestätigt hätte, daß sie nichts Unanständiges getan habe. Paula Jones aber besteht auf einer Entschuldigung des Präsidenten und verlangt zwei Millionen Dollar, von denen sie allein 800.000 für die Forderungen ihrer ersten Anwälte brauchen würde. Inzwischen wird sie von Donavan Cambell jr. vertreten, einem konservativen Anwalt aus Dallas. Dessen Kosten übernimmt das Rutherford Institute, eine konservative Stiftung aus Charlottesville, Virginia, die sich sonst auf Verfahren gegen Abtreibungsrechtler und für die Durchsetzung von Schulgebeten einsetzt.

In der Vernehmung am heutigen Samstag geht es um Clintons Sexualleben, darum, ob es seine Art war, neben seiner Ehe andere Frauenbeziehungen zu unterhalten. Das ist die Reaktion auf die Drohung von Clintons Anwalt, das Sexualleben seiner Klägerin zu durchleuchten, die bis zur Verlobung mit ihrem jetzigen Ehemann eine sexuell aktive Frau gewesen sein soll. Die Begegnung zwischen Clinton und Paula Corbin hat sich nach ihrer Verlobung zugetragen, was Paulas hartnäckige Verfolgung des Präsidenten erklären könnte. Ist Paula Jones eine mutige Frau, die sich nicht scheut, auch den mächtigsten Mann im Land vor den Kadi zu ziehen? Oder ist sie ein Werkzeug der Feinde Clintons, die sich nicht scheuen, in der politischen Auseinandersetzung auch zu Schlägen unter die Gürtellinie auszuholen? Diese Fragen werden sich wohl ebensowenig klären lassen wie die, was sich vor sieben Jahren im Hotel wirklich ereignete.

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