piwik no script img

Kluge Reformisten gesucht

■ Rot-Grün in NRW: Die Koalition lebt noch ein bißchen weiter

Die rot-grüne Koalition in Nordrhein- Westfalen geht nach der Entscheidung der Grünen in Jüchen zwar weiter – aber sie lebt kaum. Es mangelt ihr an allem, was eine faire, nach vorne gerichtete Partnerschaft auszeichnet: Vertrauen, Zukunftsorientiertheit, Problemlösungskompetenz, Zuversicht. Nichts deutet darauf hin, daß sich daran bald etwas ändern könnte. Es droht eher noch schlimmer zu werden. Im Kern läuft der grüne Beschluß darauf hinaus, die Koalition an ein einziges Projekt zu binden: an Garzweiler II. Nur weil dieses Vorhaben sich mittels der Regierungshebel erfolgversprechender bekämpfen läßt als von den Oppositionsbänken aus, fand die Koalition noch einmal eine Mehrheit.

In trockenen Tüchern ist das Projekt tatsächlich noch nicht. Der zugelassene Rahmenbetriebsplan allein entscheidet darüber nicht. Das war den Kundigen bei den Grünen zwar immer klar, nur zu sagen hat es sich niemand getraut. So kam der unselige Borkener Beschluß zustande, der den Rahmenbetriebsplan quasi als Endpunkt der Koalition fixierte. In Jüchen wurde jetzt deutlich, daß immer mehr Grünen inzwischen dämmert, damit einen „politischen Fehler“ begangen zu haben. CDU und FDP diente diese Torheit geradezu als Steilvorlage für ihr Umfallergeschrei. Sorgen müssen sich die Grünen darüber indes nicht. In der Garzweiler-Sache selbst halten sie mit guten Argumenten Kurs – mit Bärbel Höhn an der Spitze.

Das werden Rheinbraun und die SPD schon bald zu spüren bekommen. Absehbar ist ein zunächst verdeckter Kampf, der im Laufe der Zeit in einem Rauswurf der Grünen aus der Regierung münden könnte. Denkbar ist aber auch die Aufführung des Stücks Höhn gegen Rheinbraun vor diversen Gerichten – falls Clement Höhn läßt.

Blickt man indessen über diesen Streitpunkt hinaus, bleibt wenig Anlaß für politische Hoffnungen. Rot-Grün, von den aktiven Befürwortern in beiden Parteien einst als ein reformpolitisches Bündnis gedacht, liegt – zumindestens in Düsseldorf – im Koma. Schaut man sich die handelnden Akteure an, ist eine Heilung auch kaum in Sicht. Am Krankenbett tummeln sich einfach zu viele Voluntaristen, Fundamentalisten, Betonisten, Sofortisten, Karrieristen, Maximalisten, Utopisten. Ein gravierender Mangel herrscht dagegen an mutig- klugen Reformisten – in beiden Parteien. Walter Jakobs

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen