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Capitals ohne Kapital

Die erfolgreiche Eishockey-Mannschaft „Capitals“ ist wegen einer hausgemachten Finanzkrise vom Konkurs bedroht. Auch die Zuschauerzahlen gehen zurück  ■ Von Jürgen Schulz

Geht den Eishockey-Capitals das Kapital aus? Während die Cracks mit ihren Krummstäben noch in die Endrunde um die deutche Meisterschaft einziehen können, geht das Management der Charlottenburger am Stock. Im stattlichen Saisonetat von 10 Millionen Mark klafft eine Lücke von fast 2,8 Millionen an kurzfristigen Verbindlichkeiten. Insgesamt belaufen sich die Schulden auf etwa 4,5 Millionen Mark.

Gelingt es den „Caps“ nicht, dieses Minus schleunigst auszugleichen, droht noch vor Ende der laufenden Spielzeit im April der Konkursantrag. „Es ist der falsche Zeitpunkt, um Panik zu verbreiten. Wir brauchen Zeit, um unsere Gespräche mit Sponsoren auszuwerten“, beschwichtigt Joachim Börner, der Sprecher des Aufsichtsrates. Vergangenes Wochenende tagte man im mondänen „Schloßhotel Vier Jahreszeiten“ im Grunewald bis zum Morgengrauen. Börner nach der Marathonsitzung erschöpft: „Es gibt Hoffnung!“ Rund eine Million Mark an neuer Knete sollen Freunde und Gönner beim Galadiner zugesichert haben. Allerdings nicht genug, um das Bankrott-Gespenst endgültig zu verjagen.

Die Capitals im wirtschaftlichen Tiefflug – wer hätte das gedacht?! Mit dem Traditionsklub wankt eine Bastion der „Sportstadt Berlin“. Zu Beginn der 90er Jahre zählten die Eis-Eiligen von der Jaffeśtraße, Nachfolger des 1982 in Konkurs gegangenen Schlittschuh- Clubs, zur bundesdeutschen Creme des schnellen Gewerbes. Sechsmal in Folge erreichten die Berliner das Halbfinale um die Meisterschaft. Und nun das!

Die Malaise in Charlottenburg ist überwiegend hausgemacht. Zwar leidet das bundesdeutsche Eishockey allgemein am Dünkel profilierungssüchtiger und inkompetenter Funktionäre in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). Aber bei den „Capitals“ kann der Niedergang genau terminiert werden.

Am 5. Mai 1995 kam es zu einer Wachablösung in der Führungsetage des Vereins, der damals noch BSC Preussen hieß. Präsident und Steakhaus-Besitzer Herrmann Windler, ein selbstherrlicher Autokrat, machte dem jungen Bauunternehmer Axel Banghard (30) Platz, dessen markantes Markenzeichen der massive Mißbrauch von Haargel ist.

Yuppie Axel, Filius des schwerreichen schwäbischen Bauunternehmers Egon Banghard, wollte alles besser machen. Zunächst knöpfte er sich Vorgänger Windler vor, dem er Mißwirtschaft und dubiose Geschäfte vorwarf. Windler, der um seine soziale Existenz fürchtete, falls er für die ihm angelasteten Millionenschulden hätte aufkommen müssen, schoß verzweifelt zurück. Die beiden Kombattanten im feinen Zwirn bekämpften sich erbitterter als die Rauhbeine auf dem Eis. Noch heute ist gegen „Sonnenkönig“ Herrmann Windler eine Anzeige wegen Betrugs und Urkundenfälschung anhängig.

Mit der Ära Windler endete die beschaulich-erfolgreiche Preussen-Herrlichkeit. Banghard jun. bedeutete „Dallas pur“ an der Spree. Er taufte den Klub zunächst in „Preussen Devils“ um. Kurze Zeit später verpaßte er den Puckjägern das Label „Berlin Capitals“. „Das Wort Devils stieß bei Gesprächspartnern aus der werbenden Wirtschaft auf Vorbehalte“, erläuterte Geschäftsführer Boris Capla.

Flugs wollte Präsident Banghard seinen Kufenflitzern auch ein neues, repräsentatives Domizil bauen. Statt in der unwirtlichen Eissporthalle an der Jaffeśtraße sollten sie ihre Künste in einem supermodernen Eispalast vorführen. Der Ober-„Cap“ liebäugelte mit einer Überbauung des S-Bahnhofs Olympiastadion.

Doch beide Projekte zerplatzten wie Seifenblasen. Die Leistungskurve der Mannschaft zeigte steil nach unten. Viele der treuen Anhänger hatten die Nase voll, weil sie beim teuren Fanartikelkauf mit der permanenten Umbenennung ihrer Lieblinge nicht mehr mithalten konnten oder mochten. „Wie sollen wir uns denn jetzt nennen – Capitalisten?“ schimpften sie.

Die traurige Folge: An Weihnachten 1997, beim Gastspiel des deutschen Meisters aus Mannheim, fanden nur noch 1.500 Zuschauer den Weg ins Eisstadion in Eichkamp. Zu Windlers Zeiten war die Jaffe-Halle, die über 6.000 Menschen Platz bietet, häufig ausverkauft.

Im vergangenen Herbst trat Axel Banghard zurück. Offizielle Begründung: Der Jungunternehmer fürchtete um seine körperliche Unversehrtheit und die seiner Familie. Im Rückblick auf die wilden Jahre seit Mai 1995 reagiert Aufsichtsrat Börner allergisch auf die Frage, wer denn nun schuld sei, daß das Vereinsschiff gefährlich leckgeschlagen durch die Finanzklippen dümpelt. „Bitte ersparen Sie mir eine Stellungnahme.“ Er weiß, daß die klammen Caps mehr denn je auf Hilfe aus dem Hause Banghard angewiesen sind. Axels reicher Papa Egon, Hauptgesellschafter der Capitals, soll zumindest in der aktuellen Eiszeit 1997/98 den Spielbetrieb sichern.

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