Diestel behält sein Haus am See

■ Der letzte Innenminister der DDR darf in seiner preisgünstig erworbenen Villa bleiben. Das Landgericht Berlin sprach ihn frei: Er habe seine Treuepflicht zwar verletzt, aber nicht vorsätzlich

Berlin (taz/dpa) – Untreue darf man ihm nicht mehr vorwerfen. Das Landgericht Berlin sprach gestern Peter-Michael Diestel, den letzten Innenminister der DDR, von diesem Vorwurf frei. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgehalten, im Juni 1990 eine Villa weit unter Wert gekauft zu haben. Diestel darf seinen freien Blick auf den Zeuthener See genießen, mußte sich gestern aber anhören, er habe das Haus „zu einem Schnäppchenpreis“ erworben.

Diestel hatte das Grundstück von seinem Ministerium gekauft, nachdem im April 1990 mit seiner Wahl ein Umzug von Leipzig nach Berlin notwendig geworden war. Bei der Villa handelt es sich um ein ehemaliges Gästehaus der DDR. Für das 3.500 Quadratmeter große Anwesen zahlte er 193.000 Mark. Mitarbeiter hatten ihm den günstigen Erwerb ermöglicht. Das Landgericht stellte gestern fest, daß Diestel zwar objektiv seine Treuepflicht verletzt habe, doch habe er nicht vorsätzlich gehandelt, zudem sei kein tatsächlicher Vermögensschaden entstanden. Auch drei mitangeklagte ehemalige Mitarbeiter wurden freigesprochen.

Der Bundesgerichtshof hatte 1994 den Kaufpreis moniert. Das Anwesen sei mindestens 770.000 Mark wert gewesen, hieß es. Diestel sagte in der Verhandlung, der Preis sei ihm egal gewesen, in der DDR habe der Käufer eines Grundstücks ohnehin keinen Einfluß darauf gehabt. Ihm sei das Grundstück seinerzeit aus sicherheitstechnischen Überlegungen zugeteilt worden. Sicherheitsexperten der Bundesregierung hätten dazu geraten, da ein Innenminister bis an sein Lebensende von einer hohen Gefährdung ausgehen müsse. An dem Vertrag hatte bei Abschluß niemand Anstoß genommen; er war vom damaligen Finanzminister Walter Romberg (SPD) und dem Ministerpräsidenten Lothar de Maizière (CDU) genehmigt worden. Diestel sagte, er habe sich auf die korrekte Abwicklung verlassen. Außerdem habe seinerzeit niemand das Ende der DDR absehen können.

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe auf Bewährung von 18 Monaten und 15.000 Mark Geldbuße gefordert. Als die Anklage im Mai 1996 bekannt wurde, hatte Diestel erklärt, sie erscheine ihm als ein „Akt der Verfolgung Unschuldiger“.

Die Bewohner von Zeuthen konnten sich nicht mit dem neuen Nachbarn anfreunden. Bald nach Diestels Einzug zogen im September 1990 etwa 1.000 Menschen vor das Anwesen. Sie demonstrierten gegen den „Wendegewinnler Diestel“. Für Aufregung sorgte auch sein Ansinnen, das Grundstück von einer hohen Mauer einfassen zu lassen. Schließlich wurde eine Hecke gepflanzt. roga