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Die großen Sämänner kommen

Während in Europa noch über Gentechnik in der Landwirtschaft diskutiert wird, krempeln eine Handvoll Firmen die Branche in atemberaubendem Tempo um  ■ Von Reiner Metzger

Berlin (taz) – Tausende von Streicheltieren und sogar eine Halle mit Biobauern werden derzeit auf der Internationalen Grünen Woche dem Städterpublikum präsentiert. Doch hinter den Kulissen läuft eine ganz andere Entwicklung: Große Chemie- und Pharmakonzerne rollen den Markt für das internationale Saaatgut auf. Mit gentechnisch veränderten Pflanzensorten versuchen sie, ihre hohen Gewinnmargen auf ein neues Gebiet auszudehnen.

„Eine leise Revolution geschah beinahe unbeobachtet“, schreibt die Unternehmensberatung McKinsey in einem Vierteljahresbericht 1997 zur Gentechnik in der Nahrungskette. Die Beziehungen zwischen den Teilnehmern des Agrarbereichs werden demnach neu gemischt, die Gewinnmargen im bisher eher schwachen Bereich Saatgut werden drastisch steigen. Und dieser Gewinn fließt an immer weniger Konzerne, urteilt McKinsey: „1990 waren über 30 Firmen in der Pflanzen- und Nahrungsbiotechnik aktiv. Heute sind es noch sieben, die die Entwicklung vorantreiben.“

Diese führt der Bericht auch gleich auf: Agrevo (die Tochter von Hoechst und Schering), Novartis aus der Schweiz (früher Ciba Geigy und Sandoz) und Zeneca aus Großbritannien. Aus den USA zählen die Chemieriesen Dupont samt Saatguttochter Pioneer und Dow Chemicals (Tochter Mycogen) dazu, ebenso wie Monsanto. Der siebte ist der Zigaretten- und Verpackungshersteller ELM, der über die DNAP Holding vor allem in Gemüsesaatgut aktiv ist.

Zwischen 730 Millionen und 2,5 Milliarden Dollar gaben die Gen- Sämänner 1996 allein für Forschung und Entwicklung aus. Damit hängen sie die traditionellen Saatgutzüchter ab. Außerdem kauften sie in den letzten Jahren für mehrere Milliarden Dollar andere Saatgut- und Genfirmen auf. So entsteht ein marktbeherrschendes Konglomerat, das auch die nötigen Gesetzesänderungen für die Verwendung des neuen Saatguts anstoßen kann.

Verbraucher und Landwirte in Europa lehnen gentechnisch veränderte Lebensmittel bisher mit großer Mehrheit ab. Sie seien mit „emotionalen Parolen falsch informiert und damit verunsichert“, meint Peter Traumann, Vorsitzender der Bundesvereinigung Deutsche Ernährungsindustrie. Doch laut Traumann wäre es „verantwortungslos, hierzulande auf die Chancen zu verzichten“.

Während die Europäer noch diskutieren, bauen die Nordamerikaner längst schon an. Mais, Raps, Soja oder Baumwolle – alle werden genetisch auf Vordermann gebracht. Mit neuen im Erbgut verankerten Eigenschaften steigt entweder der Ertrag oder sinkt die Bearbeitungszeit. Die im harten Konkurrenzkampf mit ihresgleichen und dem Weltmarkt stehenden Landwirte greifen trotz ihrer Bedenken nach dem neuen Saatgut.

Die Akzeptanz unter den Farmern in den USA und Kanada hat selbst die großen Konzerne überrascht. 1997 wurden dort an die 130.000 Quadratkilometer – etwa zwei Drittel der Fläche aller Äcker und Wiesen in Deutschland – gengezüchteter Sorten angebaut. Sie sind zum Beispiel gegen das Generalpflanzengift Basta resistent. Agrevo kam 1995 mit einem entsprechenden Genraps auf den Markt.

Die Chemie- und Pharmariesen glauben in der Landwirtschaft ein Geschäftsfeld gefunden zu haben, das mit der Gentechnik erst richtig lukrativ wird. Denn hier haben sie alle Patente für ihre jeweilige Pflanzenfamilie in der Hand. Wenn ein Farmer Körner von Monsanto kauft, dann sind sie zum Beispiel resistent gegen das Monsanto-Pestizid Roundup. Da ist doppelter Gewinn garantiert.

„Ich bin nicht für das Genzeug“, so ein kleinerer Bauer aus dem Fränkischen. „Aber wenn mein Nachbar das anbaut und ich nicht, dann kann er billiger und einfacher produzieren als ich. Also muß ich nachziehen – oder besser noch schneller sein als er.“ So werden auf Dauer die bisherigen Sorten verdrängt. Denn wird eine Sorte vom Züchter nicht gepflegt, verliert sie mit den Jahren ihre Zulassung. Die alten Sorten werden den Landwirten gar nicht mehr zum Kauf angeboten, wenn sich die neuen weltweiten Herren des Saatguts erst einmal durchgesetzt haben.

Das neue Saatgut einmal kaufen und dann selber vermehren wird ebenfalls kaum möglich sein: Alle neuen Gentech-Körner sind Hybridsorten – sie bringen einmal einen sehr hohen Ertrag und fallen schon in der zweiten Generation wegen Inzucht stark ab.

Unterdessen springen die Gensorten über den Atlantik: Genmais darf in Frankreich dieses Jahr schon angebaut werden. Und wenn EU oder Verbraucher Zicken machen sollten, werden die Geschäftsinteressen eben über die Welthandelsorganisation WTO durchgesetzt: Weil Gesundheitsschäden beim Menschen bisher nicht nachzuweisen waren, gilt der freie Handel auch für die Gentechsorten. Auf allen freien Äckern und Supermarktregalen der Welt.

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