: Kritik an Europol-Immunität
Europol-Mitarbeiter sollen Immunität genießen. Bedenken dagegen blieben bei der gestrigen Anhörung im Innenausschuß des Bundestages bestehen ■ Aus Bonn Thorsten Denkler
Europol-Mitarbeiter bekommen Privilegien in die Hand, von denen andere europäische Polizisten nur träumen können: Sie sollen Immunität genießen, egal was sie sich zuschulden kommen lassen. Selbst wenn einem ein Schuß losgehen sollte – aus Versehen –, darf der Schütze nicht einmal rechtlich belangt werden. Dies ist das Ziel des „Europol-Immunitätenprotokolls“, das in den EU-Mitgliedstaaten zur Ratifizierung ansteht. Die rund 120 Mitarbeiter der europäischen Polizeibehörde mit Sitz in Den Haag gehen damit goldenen Zeiten entgegen. Gestern diskutierten bei einer Anhörung im Innenausschuß des Bundestages Experten das Protokoll.
Europol will damit Unabhängigkeit gegenüber den EU-Mitgliedstaaten bewahren. Solange es kein einheitliches Straf- und Strafprozeßrecht in der EU gebe, gestalte sich eine strafrechtliche Verfolgung ihrer Beamten schwierig, erklärte der deutsche Europol- Koordinator Jürgen Storbeck. Außerdem habe seine Behörde keine operativen Handlungsmöglichkeiten: „Wir stellen in Den Haag eigentlich nur Räume für die 15 Verbindungsbeamten aus den EU- Staaten zur Verfügung.“
Noch darf die Euro-Polizei nur Daten verwalten. Geplant ist aber, Europol zur Superpolizei auszubauen. Beschränkt sich ihre Arbeit im Moment noch auf die Bereiche Drogenkriminalität, Menschenhandel und Autodiebstahl, könnte in wenigen Jahren auch der internationale Terrorismus auf dem Dienstplan der Behörde stehen. Spätestens dann sollen die ersten Mitarbeiter mit der Pistole im Halfter in den Außendienst geschickt werden.
Für diesen Fall forderte Generalbundesanwalt Kay Nehm die Aufhebung der Immunität: „Die Gewährung von Immunität ist im zusammenwachsenden Europa ein Anachronismus. Bis aber operative Befugnisse erteilt werden, müssen wir sie als praktisch unschädlich hinnehmen.“ Da will der Vorsitzende des deutschen Richterbundes, Rainer Voss, nicht mitspielen. Er lehnt eine Immunität vollständig ab, auch wenn Bedienstete der Vereinten Nationen oder der Europäischen Gemeinschaft in vergleichbarer Weise Immunität genössen. Auf der Ebene der EU sei schließlich ein Stand der Integration erreicht, der Vorrechte für einzelne Organisationen und Behörden überflüssig mache. Unabhängigkeit habe mit Immunität in diesem Fall nichts zu tun. Eine Chance, daß der Bundestag dem Immunitäts-Protokoll nicht zustimmt, sieht Voss nicht: „Entweder es wird ratifiziert, oder Europol scheitert.“ Und dafür werde die politische Mehrheit im Bundestag die Verantwortung nicht übernehmen wollen.
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