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Gutbürgerliche Geldgier

■ Hamburger Landgericht verurteilt vier gutsituierte junge Männer wegen eines Überfalls auf die Dresdner Bank und fahrlässiger Tötung zu hohen Gefängnisstrafen

Wieso sie das taten, „die, die doch alles hatten“, wissen die vier jungen Männer heute selbst nicht mehr so genau. Warum Oliver M., Ruven K., Hajo K. und Goran L., alle vier Anfang zwanzig, einen Banküberfall arrangierten, obwohl sie doch allesamt gut situiert waren. Warum sie das Leben des Bankangestellten Ewald Engel riskierten und ihr eigenes binnen Minuten zunichte machten. Gestern verurteilte das Landgericht die vier Freunde zu Gefängnisstrafen zwischen acht und elf Jahren.

Zügig kommen die vier aus der Untersuchungshaft in den Gerichtssaal, eilen zielstrebig zu den Sitzplätzen neben ihren VerteidigerInnen. Im ordentlich-grauen Lambswoolpullover der eine, im dunklen Anzug ein anderer. Dem Kontakt mit den Zuschauern, die durch eine Glaswand abgetrennt sind, weichen sie aus. Mütter, Väter und FreundInnen jedoch warten sehnlichst darauf, einen Blick zu erhaschen, einen kurzen Gruß, um diesen mit einer stummen Ermunterung zu erwidern. Die dichtgedrängten Zuschauerbänke zeugen von der sozialen Einbindung der jungen Männer. Alle vier stammen aus gutbürgerlichem Elternhaus und hatten „gute Startchancen ins Leben“, wie der Vorsitzende Richter Manfred Luckow sagt. Trotzdem heuerten sie zwei Bankräuber an, die in ihrem Auftrag am 14. November 1996 die Filiale der Dresdner Bank in der Oberhafenstraße überfielen. Der Bankangestellte Ewald Engel wurde dabei erschossen.

Im November 1996 wohnen die vier noch bei den Eltern in Kirchwerder, doch ihre Autos, ihre Handys kosten Geld. Oliver M. arbeitet bei der Dresdner Bank. Abends habe er „wunde Finger vom Geldzählen“, erzählt er den Freunden. Gemeinsam träumen sie vom großen Geld. Irgendwann nehmen ihre Pläne dann Gestalt an. Selbst wollen sich die Freunde die Finger nicht schmutzig machen. Im Kroatienurlaub trifft Goran L. zwei Männer, die den Überfall ausführen wollen. Zeljko D. und Zijad P. kommen nach Deutschland. Gemeinsam mit ihnen planen die Freunde die Tat. Eines Tages fällt dann der Satz: „Es darf nur einen Zeugen geben“. Zeljko D. erklärt, was er damit meint: daß er beim geringsten Widerstand Zeugen erschießen würde. Oliver M. denkt an seinen Kollegen Ewald Engel, den er mag, und wird blaß. Er widerspricht.

Was die Komplizen dann genau absprechen, konnte das Gericht nicht eindeutig klären. Als die beiden Kroaten am 14. November die Bank überfallen, wird der Angestellte Engel getötet. Hingerichtet. Zeljko D. führt ihn in den Tresorraum und drückt ab.

Vor Gericht versuchen die vier jungen Deutschen glaubhaft zu machen, daß sie mit diesem Mord nichts zu tun hatten. Sie hätten fest darauf vertraut, daß die Kroaten nur eine Gaspistole bei sich tragen würden. Von der scharfen Waffe hätten sie nichts gewußt, den Tod von Engel schon gar nicht gewollt.

Das Gericht hielt ihnen gestern in der Urteilsbegründung entgegen, sie hätten diesen Tod fahrlässig mitverursacht. Denn alle vier hätten es für möglich gehalten, daß der Kroate Engel erschießt – und einfach darauf vertraut, daß er es nicht täte.

Denen „ging es schon zu gut“, so Richter Manfred Luckow. Aus „überzogener Geldgier“hätten die vier jungen Männer gehandelt. Doch auch gruppendynamisch könnte sich das Ganze verselbständigt haben. Ein weiterer Freund, der noch vor dem Überfall aus der Planung ausgestiegen war, mußte sich als „Memme“beschimpfen lassen. Und die Mutter von Oliver M. sagte gestern über ihren Sohn: „Der konnte noch nie nein sagen.“

Elke Spanner

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