piwik no script img

Das Ende der katholischen Einheit

■ Der Vatikan macht die Fronten unter den Bischöfen öffentlich: Konservative gegen Erzkonservative

„Die Erhaltung der innerkirchlichen Einheit“ ist nach kirchlichem Recht oberste Aufgabe des Papstamtes. Doch das Schreiben aus dem Vatikan zur Schwangerenberatung bewirkt das Gegenteil: Es verschärft Bruchlinien innerhalb der deutschen katholischen Kirche und macht zudem den Konflikt zwischen Rom und den deutschen Katholiken deutlich. Zum ersten Mal tragen die deutschen Bischöfe einen Streit nicht hinter verschlossenen Türen, sondern öffentlich aus. Die bislang als höchstes Gut gehandelte Einheit der Bischöfe tritt hinter den ideologischen Streit um den rechten Weg in Fragen des Lebensschutzes zurück.

Beobachter sehen in dem Schreiben, das auf Bitten der deutschen Bischöfe für eine Klarstellung sorgen soll, auch die Fortsetzung der „konsequenten Demontage“ des Vorsitzenden der Bischofskonferenz, des Mainzer Bischofs Karl Lehmann. Dieser wurde nicht nur wiederum bei der Ernennung zum Kardinal übergangen, sondern sieht sich auch der Aufgabe gegenüber, die zerstrittenen Oberhirten unter einen Bischofshut zu bringen. Die Fronten sind relativ klar: Während immer noch eine Mehrheit der 27 deutschen Bischöfe für den Verbleib der kirchlichen Dienste bei der Beratung votiert, drängen vor allem die erzkonservativen Kardinäle von Fulda, Johannes Dyba, und von Köln, Joachim Meisner, auf einen Ausstieg. Dyba läßt bereits in seinem Bistum keine Beratungsscheine mehr ausstellen. Die konservativen Kirchenkreise drängen ohnehin auf eine stärkere Trennung von Kirche und Staat, um die kirchliche Praxis von den Kompromissen der staatlichen, pragmatischen Lösungen wie etwa in Fragen der Abtreibung freizuhalten. Auch im Vatikan ist dieser Kurs zwischen den Diplomaten und den ideologischen Hardlinern heftig umstritten.

Noch ist unklar, in welcher Form das Schreiben des Papstes in Deutschland eingeht. Ein verbindliches Gesetz werde es wohl kaum sein, heißt es. Der kritische Theologe Hans Küng befürchtet, daß Rom das Schreiben mit dem Gütesiegel der Unfehlbarkeit ausstattet, die es in Fragen der Sexualmoral beansprucht. Allgemein erwartet wird ein „apostolischer Brief“, der allerdings laut Kirchenrecht nur eine „Empfehlung ist, die aus moralischen Gründen befolgt werden muß“. Wenn allerdings einzelne Oberhirten diesen Forderungen nicht nachkommen wollten, sei das „eine akzeptable Gewissensfrage der Bischöfe“. Wolle Rom sie für eine solche Weigerung belangen, müßten andere Strafvorschriften als verletzt angesehen werden. Etwa der immer noch gefährlichste Vorwurf in der Kirche: Ketzerei. Bernhard Pötter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen