: BSE-Verordnung ungültig
Verwaltungsgerichtshof: Bauern dürfen Schweizer Rinder einführen – trotz Borcherts Importverbot ■ Aus Konstanz Klaus Wittmann
Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat ein richtungweisendes Urteil gesprochen: Es erlaubt die Einfuhr von Schweizer Rindern, obwohl die unter das Importverbot durch die BSE-Schutzverordnung fallen. In seinem Urteil vom Freitag wies das VGH in Mannheim den Antrag auf Berufung des Landes Baden-Württemberg gegen ein Verwaltungsgerichtsurteil aus Freiburg ab.
Das dürfte die Landwirtschaftspolitiker in Bonn und den Bundesländern gehörig unter Zugzwang setzen, denn wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Urteils ist die deutsche BSE-Schutzverordnung zumindest in Baden- Württemberg unwirksam. Nicht einmal ansatzweise habe das Land Baden-Württemberg darlegen können, warum das Freiburger Urteil fehlerhaft sei, so der VGH (Az 7 S 3117/97). BSE sei keine Seuche, so das Mannheimer Gericht, deshalb sei die BSE-Schutzverordnung nicht mit dem Bundesseuchengesetz begründbar. Allerdings kommen die Richter zu dem Schluß, daß ein Einfuhrverbot auch auf einer anderen Rechtsgrundlage möglich sei.
Württemberg ist für ganz Deutschland zentral für die Einfuhr Schweizer Rinder zuständig, weil es das einzige Bundesland mit einer Grenze zur Schweiz ist. Das Urteil aus Mannheim ist das zweite Verfahren in der Hauptsache, daß die BSE-Verordnung für rechtlich unwirksam erklärt. Im vergangenen August hatte bereits ein Verwaltungsgericht in Schleswig-Holstein Rindertötungen nach der BSE-Schutzverordnung für unrechtmäßig erklärt.
„Das Mannheimer Urteil ist sicherlich interessant, zumal die Vorsitzende Richterin in ihrer Urteilsbegründung festgestellt hat, daß BSE keine Seuche ist, sondern eine von Menschen durch unsachgemäße Verfütterung den Tieren beigebrachte Vergiftung“, sagte der Kläger, Josef Freiherr von Hornstein, nach Bekanntwerden des Urteils. „Allerdings darf man sich da keinen Illusionen hingeben“, ergänzte von Hornstein, der seinen Hof im Raum Konstanz hat. „Die BSE-Verordnung wird jetzt wohl schleunigst geändert werden.“
Josef Freiherr von Hornstein war vom Landwirtschaftsministerium in Stuttgart untersagt worden, 120 Schweizer Kühe über den Sommer auf seine Weiden in den Hegau zu bringen – viele Schweizer Rinderzüchter im Grenzbereich schicken ihre Tiere zur sogenannten Sömmerung auf gute Weide nach Deutschland. Im Landwirtschaftsministerium in Stuttgart hieß es nach dem Urteil lapidar, die BSE-Schutzverordnung sei nach wie vor in Kraft und damit auch das Einfuhrverbot. Das Urteil erstrecke sich lediglich auf die Sömmerung. Doch die Gerichtsentscheidung läßt sich nicht einfach wegdiskutieren, meint der Duisburger Rechtsanwalt Dirk Büge, der bundesweit mehr als 100 von der BSE-Verordnung betroffene Landwirte vertritt. „Diese Entscheidung des VGH in Mannheim ist unanfechtbar. Es bleibt natürlich für die Betroffenen bitter, daß sie zunächst einmal weiter in langwierige und kostenträchtige Gerichtsverfahren geschickt werden.“ Rechtsanwalt Büge hat den Bundeslandwirtschaftsminister noch am Wochenende in einem Schreiben aufgefordert, unverzüglich die umstrittene und inzwischen von mehreren Gerichten verworfene BSE-Schutzverordnung zurückzuziehen.
Viele Züchter hoffen, daß damit nun auch die Tötungsanordnungen gegen bereits importierte Rinder aus Großbritannien und der Schweiz vom Tisch kommen. Einer dieser Züchter Schweizer Rinder ist der Attenhausener Bauer Andreas Blank, der im Unterallgäu schon seit Jahren äußerst robuste Schweizer Braunviehrassen züchtet. Noch nie sei in einem Bestand aus dem er und seine Kollegen ihre Tiere beziehen, BSE aufgetreten. Deshalb habe er Widerspruch in Bayern eingereicht. Bislang gebe es aber noch keine Bescheide.
Der Leiter des Schweizer grenztierärztlichen Dienstes in Bern, Jakob Schluep zeigte sich über das Urteil erfreut und meinte, er hoffe, daß künftig die Ausfuhr wieder möglich sein werde. „Wir sind ja bezüglich der Ausfuhrverbote quasi eine Enklave, eingeschlossen von vier Staaten.“ Dem Ausfuhrverbot Schweizer Rinder hätten sich nach Deutschland auch Österreich, Italien und Frankreich angeschlossen – nicht aber die EU. Die habe gegen die Schweiz keinerlei Maßnahmen getroffen.
Unmittelbar nach Bekanntwerden des aufsehenerregenden Urteils am vergangenen Freitag haben die Schweizer reagiert. Prompt wurde in Baden-Württemberg die Einfuhr von zwei Schweizer Kälbern beantragt.
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