: Zusammenhanglos verschwunden
■ Mysteriöser Fall von Aktenklau im Landeskriminalamt: Niemand weiß, was drin stand, aber wichtig waren sie wohl schon
72 verschwundene Ermittlungsakten sorgen bei Hamburgs Polizei für interne Recherchen. Das „Dezernat Interne Ermittlungen“(DIE) hat noch keine heiße Spur, wer die Vorgänge aus den Räumen des Landeskriminalamts 234 (LKA) in der Stresemannstraße geklaut haben könnte und welchen konkreten Inhalt die Verfahrensvorgänge hatten. Die Polizei gab gestern offiziell den Aktenklau zu. Polizeisprecher Wolfgang Ketels: „In der Tat: Die Akten sind weg.“
Beim LKA 234, das kürzlich der Dienststelle „Organisierte Kriminalität“(OK) zugeordnet worden ist, werden Vorgänge bearbeitet, die im Zusammenhang mit Kfz-Diebstahl, Kfz-Fälschungen und organisierten Auto-Schieberbanden stehen. Die entwendeten Verfahrensakten beruhen nach Polizei-Angaben auf Anzeigen der Zulassungsstelle. Dabei gehe es um manipulierte TÜV-Plaketten und Papiere mit falschen TÜV-Stempeln.
Der Fall kam polizeiintern bereits im Juli 1997 ins Rollen, als dem Dienststellenleiter der Aktenschwund aufgefallen war. Die DIE-Ermittlungen förderten aber bislang nur wenig zutage. Zwar präsentierten die internen Fahnder einen Tatverdächtigen, doch reichte es für eine Anklage offenkundig nicht aus. Staatsanwaltschaftssprecher Rüdiger Bagger: „Das DIE hat uns einen Vorgang wegen Strafvereitelung im Amt übergeben; wir haben das Verfahren mangels Beweisen einstellen müssen.“
Nach einem Bericht der Welt, die gestern den „mysteriösen Fall“veröffentlichte, habe das DIE enorme Schlampereien und Sicherheitsmängel in der Dienststelle festgestellt. Außerdem sei das Klima beim LKA 234 miserabel gewesen, so daß es immer wieder zu Streitereien und internen „dienstlichen Erklärungen“gekommen sei.
Auch nach einem halben Jahr ist es der Polizei nicht gelungen, die Vorgänge zu rekonstruieren, weil keine Handakten geführt wurden und somit ebenfalls wichtige Asservate verschwunden sind. Ketels: „Der Inhalt der Akten konnte bislang nicht aufgearbeitet werden.“
Der Polizeisprecher bestreitet aber, daß es sich bei den Akten um Vorgänge im Bereich „OK“gehandelt habe: „Das waren alles Einzelfälle, bei denen es vielleicht gar keinen konkreten Beschuldigten gegeben hat.“So das vom Händler gekaufte Auto mit falscher TÜV-Plakette, das der Verkäufer selbst gerade erworben hat. Daß es zwischen den Einzelfällen vielleicht doch Zusammenhänge gegeben haben könnte, die auf eine Fälscherbande schließen lassen, hält Ketels für „rein theoretisch“. Es gebe dafür aber zur Zeit „keine Anhaltspunkte“.
Der Aktenklau habe auch nichts mit der TÜV-Razzia zu tun, bei der es um gleichgelagerte Fälle gegangen war. Am 9. Dezember vorigen Jahres hatte das DIE die Zulas-sungsstelle, mehrere Wohnungen sowie zahlreiche Autohändler durchsucht, weil TÜV-Mitarbeiter mit geklauten TÜV-Plaketten Zulassungen gefälscht haben sollen. „In diesem Zusammenhang“, ist sich Ketels sicher, „stehen die Akten nicht.“ Kai von Appen
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen