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Rechtsextreme setzen auf Ostthemen

■ Sachsen ist schnell zum stärksten Landesverband der NPD geworden

Berlin (taz) – In der Stuttgarter Zentrale der NPD gerät Bundesgeschäftsführer Ulrich Eigenfeld ins Schwärmen, wenn er einen Blick auf die Statistik des Landesverbandes Sachsen wirft. Erst kürzlich wurde dort das tausendste Mitglied aufgenommen. Sachsen ist zum stärksten Landesverband der bundesweit 4.288 Mitglieder zählenden rechtsextremen „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ aufgestiegen. Noch Anfang 1997 zählte der Verfassungsschutz in Sachsen rund 300 NPD-Mitglieder. Seitdem wächst die NPD unaufhörlich.

Der rasante Aufschwung wird im CDU-regierten Sachsen mit zunehmender Sorge beobachtet. „60 bis 70 Prozent der neuen Mitglieder sind unter 30 Jahre alt“, erklärt der Präsident des dortigen Landesamtes für Verfassungsschutz, Eckehardt Dietrich. Die „Blutauffrischung“ (Dietrich) wird dem Bundesvorsitzenden Udo Voigt zugeschrieben. Der Diplompolitologe, der 1996 den wegen Volksverhetzung verurteilten Ex-NPD- Chef Günther Deckert ablöste, hat seine Partei auf Ostthemen eingeschworen. Deckerts offene Leugnung des Holocaust rückte er in den Hintergrund. Dafür rangieren nun Themen wie sozialer Abstieg und Arbeitslosigkeit ganz vorne in der Propaganda-Hierarchie. „Dahinter verstecken sich aber nach wie vor die offen nationalistischen, rassistischen und völkischen Konzepte“, warnt Verfassungsschutz- Chef Dietrich.

Besser als andere rechtsextremen Parteien hat die NPD den Kontakt zu jugendlichen Sympathisanten gefunden. Vor allem in Dresden und Leipzig sammelt sie über ihre sogenannten Freundeskreise „Ein Herz für Deutschland“ Anhänger. Zwar sind unter den Neulingen auch Mitglieder verbotener Organisationen. Doch die Mehrzahl sind unorganisierte Jugendliche, die eine „Affinität zu totalitären Organisationsstrukturen“ hätten, so Verfassungsschützer Dietrich.

Stramme Aufmärsche und strikte Diszplin – das kommt manchem jugendlichen Bedürfnis offenbar entgegen. So haben die Jungen Nationaldemokraten vor drei Monaten ihre Bundesgeschäftsstelle von Bochum nach Dresden verlegt. Von hier aus wurde auch die jüngste Demonstration gegen die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht in Dresden koordiniert. Daß die NPD unter sächsischen Jugendlichen durchaus keine Unbekannte ist, zeigt eine 1997 fertiggestellte Studie des Instituts für Marktforschung, die vom sächsischen Kultusministerium bisher unter Verschluß gehalten wird. Danach erklärten immerhin sieben Prozent der befragten Jugendlichen, NPD wählen zu wollen.

Der Erfolg der NPD, die laut Verfassungsschutz „die geringsten Berührungsängste gegenüber Nationalsozialisten hat“, zehrt auch vom Niedergang der Deutschen Volksunion (DVU) und der „Republikaner“. Auf gerade einmal 500 Mitglieder kommen beide Parteien in Sachsen – Tendenz sinkend. Absprachen mit der DVU und den Reps erteilte die NPD erst jüngst auf ihrem Bundesparteitag eine Absage. Zu oft sei man von denen „hintergangen und enttäuscht“ worden, sagt Bundesgeschäftsführer Eigenfeld. Vorrangiges Ziel der sächsischen NPD ist die Teilnahme an der Landtagswahl Mitte 1999. Dafür werden zur Zeit die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen. 17 Kreisverbände bestehen schon, zehn fehlen noch, um in Sachsen flächendeckend präsent zu sein. Severin Weiland

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