■ Berliner Telegramm: Mitte: Birthler als grüne Bundestagskandidatin
Die Kandidatin, mit der Bündnis 90/Die Grünen in Mitte und Prenzlauer Berg in den Wahlkampf gehen, heißt Marianne Birthler. Nach dem freiwilligen Verzicht von Matthias Dittmer konnte Mitbewerber Rudi Handwerker – „Hallo Menschen!“ und „Mein Glaube an den Apparat ist verlorengegangen, deshalb muß jetzt ich in den Apparat da rein“ – zwar das Publikum begeistern. Ernsthaft wählen wollten ihn am Donnerstag abend von den gut 70 Bündnisgrünen der beiden Innenstadtbezirke für seine Vorstellungen vom „Kaffee ausschenken an Arbeitslose“ oder „sich bunt bekleiden und in der U-Bahn Kurzstreckentickets zu einer Mark anbieten“ aber nur eine Handvoll Parteimitglieder.
Einen leichten Stand an der Basis hatte allerdings auch die einstige Bürgerrechtlerin Birthler aus dem Osten nicht. Ihrem Programm fehle es an Schlagkraft, wurde bemängelt, neue Wählerpotentiale würden sich mit ihr nicht erschließen. Außerdem wurde befürchtet, daß sich die Kandidaten von SPD, CDU und Grünen – Wolfgang Thierse, Günter Nooke und Marianne Birthler – den Wahlkreis letztlich derart teilen, daß der oder die PDS-KandidatIn nur ohne bürgerbewegte Vergangenheit daherkommen brauche, um zu siegen. Die Angst scheint tief zu sitzen, besonders seit auch der Name des Hamburger Ökosozialisten Thomas Ebermann durch die Kieze wabert: Ebermann war 1990 bei den Grünen ausgetreten.
Birthler betonte, die gemeinsame Vergangenheit mit Thierse und Nooke bedeute nur Einigkeit darin, wogegen man gewesen sei. „Heute stehen wir für sehr unterschiedliche Dinge“, so Birthler. Die gemeinsame Geschichte lasse dennoch hoffen, daß es im Wahlkampf fair zugehe. Sie appellierte an das Selbstbewußtsein der Bündnisgrünen, die so „wunderbare Ideen“ wie die Ökoreform hinter eine „technokratischen Sprache“ versteckten.
Die Skepsis, Birthler könne wie ihr Vorgänger Uwe Dähn 1994 kurz vor der Wahl erklären, wer Rot-Grün wolle, müsse SPD und nicht Grüne wählen, war deutlich. Klare Absprachen zwischen den beiden Parteien wären ihr nicht unlieb gewesen, gestand Birthler. Nun aber, da die SPD eigene Mandatsanwärter nominiert habe, werde es keine derartigen Gespräche mehr geben. Die Erwartung der SPD, die Grünen sollten zurückstecken und sie selbst doch in Hellersdorf kandidieren, sei „eine Unverschämtheit“, so Birthler. „Ich werde mich nicht verkrümeln, um einen anderen Kandidaten zu unterstützen“, betonte sie. Das war den Bündnisgrünen ausreichend. Sie gaben Marianne Birthler 45 von 68 Stimmen. Ob Birthler über einen vorderen Listenplatz auf der Landesliste abgesichert wird, entscheidet sich am 14. Februar. Kathi Seefeld
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