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Fußballaktien im Börsentaumel

Europas Fußballfirmen zwischen Kursrutsch und feindlicher Übernahme: Der Höhenflug scheint vorbei, schlaue Vereine behalten die Mehrheit selbst  ■ Aus Hamburg Hermannus Pfeiffer

Dieses Wochenende beendet die Fußballbundesliga ihre Winterpause. Und die Kicker flitzen mit der Unterstützung des Bundeskanzlers – will er doch persönlich nach dringenden Appellen des Fußballbundes eine Ausnahmeregelung im Kartellrecht durchboxen. Der DFB soll weiterhin zentral die Europapokalspiele vermarkten dürfen und nicht die teilnehmenden Vereine. Weil die Balltreterei eben nicht eine schnöde Wirtschaftsbranche ist, so die Begründung, sondern Nationalsport.

Die Vereine hingegen entwickeln sich immer mehr zu reinen Unternehmen der Medienbranche. Ungerührt von der Ansicht des Bundeskanzlers strömen europäische Fußballfirmen an die heimischen Börsen: Inter Mailand, Atlético Madrid oder Bayern München sind längst über ihr Planungsstadium hinaus, andere sind noch weiter: Den größten Börsencoup im vergangenen Jahr landete Newcastle United, umgerechnet 144 Millionen Mark ließen Anleger an den Börsen von London und Berlin in die Kassen der börsennotierten Aktiengesellschaft fließen.

Selbst die kleine Züricher Grasshoppers AG konnte durch eine Publikumsöffnung fast 10 Millionen Mark einfahren. Fans und Investoren lassen sich von ihrer Phantasie tragen: Zuschauerboom, Pay-TV und Merchandising heißen traumhafte Zauberworte. Das real existierende Hochfinanzleben kann jedoch ebenso grausliche Alpträume auslösen.

Rapid Wien hatte im September 1991 seine Aktien zum Wert von 1.100 Schilling verkauft – knapp drei Jahre später wurde der Börsenhandel ausgesetzt. Der Rekordmeister stand vor dem Ruin. Nicht besser erging es dem Hamburger Sportverein: Präsident und Versicherungsvertreter Hunke versuchte 1991 vergeblich, den Hanseaten Wertpapiere für 36 Millionen Mark anzudrehen. „Die alte HSV-AG existiert noch, ist aber eine Hülle ohne Kern“, sinniert Ex-Kicker Holger Hieronymus, heute HSV-Marketingboß.

Das Eldorado der Fußballaktien ruht noch in Großbritannien. „Der Wert von Manchester United an der Börse liegt bei 980 Millionen Schweizer Franken“, errechnete Alessandra Donelli von der Bank J. Vontobel in Zürich. Trotzdem bereitet die Londoner Börse den Aktionären auch Bitternis: Der Kurs der Tottenham Hotspurs schwankte zwischen 79 und 138 Punkten drastisch hin und her. Ohnehin verblaßt der Höhepunkt vom Januar 1997 langsam als wohlige Erinnerung: Seitdem sank selbst der Kurs von Manchester United um Minus 14 Prozent – derweil der allgemeine Londoner Aktienindex FTSE ein dickes Plus von über 31 Prozent hinlegte.

Auch der Kurs von Grasshoppers Zürich kommt nicht richtig flott in Fahrt: Leicht unterbewertet konnten zwar bis zum 16. Dezember 175.000 Inhaberaktien an die Investoren gebracht werden. Seitdem stagniert aber der Wert. Immerhin fand der Schweizer Meisterkandidat ein Mittel gegen eine anderes AG-Risiko, gegen feindliche Übernahmen durch einen Großaktionär: Die Fußballabteilung ist als AG ausgegliedert, aber der Verein hält weiterhin die deutliche Mehrheit und kontrolliert 64 Prozent des Kapitals.

Die Angst vor Fremdbestimmung ist nicht unbegründet. Vermögende wie der Brite Joseph Lewis mit seiner Investmentgesellschaft ENIC initiierten größere Finanzbeteiligungen an AEK Athen, Slavia Prag, Vicenza, Glasgow Rangers und dem FC Basel – meist allerdings eher über Mauscheleien mit den Vereinsvorständen als durch Käufe an der Börse. Derzeit soll ENIC mit Pleitier Rapid Wien verhandeln und bald Girondins Bordeaux übernehmen. Aktionäre dürften sich bei einer Übernahme durch Lewis zumindest über heftig ansteigende Börsenkurse freuen. Bis es soweit ist, behält Thomas Bieler von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen recht: „Eine Fußballaktie ist nie das gleiche wie eine von Siemens oder Daimler.“

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