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Die NPD setzt auf eine nationale APO

Am Samstag erwartet die NPD und ihre Jugendorganisation 5.000 Sympathisanten in Passau. Nach finanzieller Sanierung und Mitgliederzuwächsen meldet die Partei einen Führungsanspruch im rechten Lager an  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

„Organisierter Wille bedeutet Macht.“ Unter dem Motto, das die neonazistische „Nationalistische Front“ (NF) bis zu ihrem Verbot 1992 für sich beanspruchte, ruft die rechtsextreme „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) nun für den kommenden Samstag zum Bundeswahlkongreß in die Passauer Nibelungenhalle. Mit den erhofften 5.000 „jungen und junggebliebenen Nationalisten“ will man dort nicht nur einen „Tag des nationalen Widerstands“ zelebrieren. Die NPD, vor ein paar Jahren noch finanziell und personell am Boden, will vielmehr ihren Führungsanspruch in der rechtsextremen Parteilandschaft hervorheben. „Wir sind die authentische nationale Partei“, tönt Udo Voigt, der die Partei seit März 1996 führt, bei jeder sich bietenden Gelegenheit.

Der Diplompolitologe will an die Erfolge der NPD Ende der sechziger Jahre anknüpfen. Damals saßen Vertreter der 1964 gegründeten Partei in sieben Landesparlamenten. Nach dem knappen Scheitern an der Fünfprozenthürde bei der Bundestagswahl 1969 ging es jedoch stetig bergab. Da half auch ein Bündnis mit der „Deutschen Volksunion“ (DVU) nichts. Parteiaustritte, horrende Schulden und Wahlergebnisse unter 0,5 Prozent waren das Ergebnis. Die Mitgliederzahl fiel von 28.000 (1968) auf unter 1.600 im Jahre 1989.

1991 übernahm dann Günter Deckert den Parteivorsitz. Mit kämpferischen Parolen und dem Schulterschluß mit neonazistischen Aktivisten, die nach den Parteiverboten 1991 und 1992 eine neue politische Heimat suchten, brachte er neuen Schwung in die NPD. Seine wiederholte Leugnung von Auschwitz machte ihn zwar bundesweit bekannt, brachte ihn aber für Jahre ins Gefängnis.

Mit der Wahl von Voigt zum neuen Vorsitzenden im März 1996 entschied sich die Mehrheit der Partei dann dagegen, den Geschichtsrevisionismus zum einzigen Thema zu machen. Statt dessen setzte man zusehends auf die „soziale Frage“. In Zeiten steigender Arbeitslosenzahlen und wachsender Rentenunsicherheit fanden die plakativen Forderungen der NPD nach „Ausgliederung von Nichtdeutschen aus den Sozialversicherungen“ oder „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“ wachsenden Anklang – vor allem in den neuen Ländern.

Durch die Erbschaft eines Hauses im baden-württembergischen Eningen im Frühjahr 1994 verfügte die Partei nicht nur über ein Schulungszentrum, sondern war plötzlich auch wieder kreditwürdig. Nach einer internen Spendenaktion ist man nach eigenen Angaben wieder „schuldenfrei“. Zu mehr reicht es aber noch nicht. Um die Kaution in Höhe von 100.000 Mark für die Passauer Nibelungenhalle aufbringen zu können, mußte die Parteiführung erneut Bettelbriefe schreiben.

Parallel zur Sanierung der Finanzen verjüngte Voigt systematisch die Parteispitze. Führende Köpfe der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) wie Klaus Beier aus Bayern oder die beiden ehemaligen NF-Kader Steffen Hupka aus Quedlinburg und Jens Pühse aus Freising, der einen Vertrieb für Nazi-Skin-Musik betreibt, sitzen im Bundesvorstand. Sie bringen, so der Parteichef, „den notwendigen revolutionären Geist in unsere Bewegung“.

Gerade die JN hat es der Mutterpartei in den letzten Jahren vorgeführt, wie man eine Führungsrolle übernimmt. Kader der „Wiking Jugend“, der „Freiheitlichen Arbeiterpartei Deutschlands“ (FAP) oder der NF wechselten nach dem Verbot ihrer Gruppierungen zur JN über, die die Bildung einer „aktivistischen, höchst mobilen autonomen Gruppe von politisch Militanten“ propagiert hatte. Angst vor einem Verbot hatte man dabei in der JN noch nie. „Solange die NPD nicht verboten wird, kann uns nichts passieren“, frohlockte JN-Bundessprecher Klaus Beier.

In ihrer internen Strategieschrift Der Aktivist unter der Überschrift „Der Kampf wird härter“ fordert die JN ihre Kameraden auf, den „Kampf auf allen Ebenen bedingungslos aufzunehmen“. Dazu zählt man neben dem Boykott von internationalen Fastfoodketten auch den Eintritt in Schützenvereine. Bei der Bundeswehr sollte man zudem die sich dort bietende Möglichkeit nutzen, um „soldatische Führung zu lernen“.

Mit der Organisation größerer Demonstrationen wie der Rudolf- Heß-Gedenkmärschen setzte sich die JN zusehends an die Spitze der Bewegung. Nach internen Querelen verließen zwar mehrere ehemalige FAP-Funktionäre wie Markus Privenau aus Bremen oder Andre Goertz aus Hamburg die Organisation, doch Parteichef Voigt hatte über seine Jugend nichts zu mäkeln. Das NPD-Parteiorgan Deutsche Stimme verlieh der JN gar das Prädikat „herausragend“ und sah in ihr einen entscheidenden Trumpf gegenüber DVU und „Republikanern“.

Als am 1. März letzten Jahres dann etwa 5.000 Alt- und Neonazis in München „für den Ehrenschutz der Wehrmacht“ auf die Straßen gingen, hatten NPD und JN nicht nur die größte rechtsextreme Demonstration seit über 20 Jahren auf die Füße gestellt. Man hatte auch ein breites Bündnis von rechten Unionskreisen über Soldatenverbände bis hin zu militanten Jungnazis geschaffen. Der Versuch, den Erfolg am 1. Mai in Leipzig und am 8. November erneut in München zu wiederholen, scheiterte zwar, doch die Anfang 1997 gestartete Mitgliederkampagne hatte durchschlagenden Erfolg. Innerhalb eines Jahres gewann man über 1.600 neue Mitglieder hinzu. In Dresden, wo mittlerweile die Bundesgeschäftsstelle der JN residiert, wurde erst kürzlich zu einer erneuten Demonstration gegen die Wehrmachtausstellung mobilisiert, an der 1.200 Sympathisanten teilnahmen.

Dem Aufbau Ost kam insbesondere zugute, daß sich ein Teil des 1991 gegründeten neonazistischen Vereins „Die Nationalen“ die NPD als neues Betätigungsfeld auserkoren hat. Im November letzten Jahres erklärten sich der Verein für aufgelöst, da man seine Aufgaben „weitestgehend erfüllt“ hätte. Vereinschef Frank Schwerdt will nun einen eigenständigen NPD-Landesverband aufbauen. An vielen Orten schießen bereits neue NPD-Kreisverbände aus dem Boden, die zum Teil identisch mit den Kameradschaften und Ortsverbänden der „Nationalen“ sind.

Die NPD sieht sich im Aufwind und will deshalb bei den Bundestagswahlen flächendeckend kandidieren. Eine umstrittene Entscheidung, gegen die der Exvorsitzende Deckert aus der Haft Widerstand ankündigte. Aber auch für Voigt steht die Wahl nicht an erster Stelle. Ihm schwebt eine „nationale APO“ vor, die dann als „verlängerter Arm unserer künftigen Abgeordneten in den Parlamenten“ wirken soll.

In Passau werden erfahrene rechtsextreme Ideologen und Strategen als Redner auftreten. Der Österreicher Herbert Schweiger hat schon die NF ideologisch geschult und gilt als Vordenker der Szene. Der Hamburger Jürger „Rieger, einst führender Kopf der NF, betätigt sich jetzt als Multifunktionär der Szene und bewirtschaftet nebenbei mit großzügiger Förderung der Europäischen Union im schwedischen Sveneby einen Bauernhof. Dort will er eine Neonazi-Kolonie für ein Leben „unbeeinflußt durch Umerziehung, Überfremdung und Drogen“ gründen. Statt stundenlanger Reden wird die NPD versuchen, in der Nibelungenhalle mit Kabarett, Lesungen, Filmen, Tombola und den Auftritten zweier Neonazi- Liederbarden ein „Parteifest“ zu zelebrieren. Schließlich will man „Kraft für den Kampf des Alltags tanken“.

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