: Bremen vertagt den Lauschangriff
■ Große Koalition der Hansestadt kann sich nicht über den Großen Lauschangriff einigen. CDU droht mit dem Koalitionsbruch. In Bonn stehen die FDP-Abgeordneten zur Fahne: Lieber lauschen als gegen die Koalition stimmen
Bremen/Bonn (taz) – Die Regierung der Freien und Hansestadt Bremen konnte sich gestern nicht auf ein Votum zum Großen Lauschangriff einigen. Eine Sitzung des Senats aus SPD und CDU blieb ohne Ergebnis. „Wir haben uns noch nicht abschließend verständigt. Wir haben uns sehr freimütig die unterschiedlichen Meinungen gesagt“, faßte Bürgermeister Henning Scherf (SPD) das Ergebnis der Senatssitzung zusammen. Jetzt muß der Koalitionsausschuß am Donnerstag abend über das weitere Vorgehen entscheiden. Die Abstimmung im Bundesrat ist für Freitag angesetzt. Dort ist Bremen das „Zünglein an der Waage“. Scherf will solange versuchen, bei den SPD-Ländern eine Mehrheit für die Anrufung des Vermittlungsausschusses zusammenzubekommen, um doch noch Ärzte, Anwälte und Journalisten vor Lauschangriffen zu schützen.
Sollten sich CDU und SPD im Koalitionsausschuß nicht einigen, müßte Bremen sich im Bundesrat laut Koalitionsvertrag enthalten. Damit wäre der Große Lauschangriff vom Tisch – und die Große Koalition von CDU und SPD in Bremen gefährdet. Die CDU hatte mehrfach mit dem Bruch gedroht, wenn der Große Lauschangriff im Bundesrat an Bremen scheitern würde. Das wäre eine „extreme Belastung“, bekräftigte der Zweite Bürgermeister Hartmut Perschau (CDU) gestern. Der Bremer CDU-Landesvorsitzende Bernd Neumann hingegen sagte gegenüber der taz: „Es ist alles fließend“, in „gewisser Weise“ sei man kompromißbereit. Eine Lösung werde mit dem Kanzleramt abgestimmt.
Sollte sich der Vermittlungsausschuß mit dem Lauschangriff beschäftigen, könnte dessen Ergebnis anschließend im Bundestag mit der Kanzlermehrheit wieder zunichte gemacht werden. Die SPD setzt ihre Hoffnungen darauf, daß einige FDP-Abgeordnete Änderungen im Bundestag mittragen. Das aber schloß der innenpolitische Sprecher der FDP, Max Stadler, gegenüber der taz aus. „Die Koalition wird als Einheit auftreten.“ Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte dagegen im taz-Interview, sie werde Verbesserungen nicht blockieren.
Der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder, Landtagswahlkämpfer und SPD-Kanzlerkandidaten-Kandidat, wandte sich erneut gegen jede Nachbesserung. Der Bonner SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping, der im Januar im Bundestag dem vorliegenden Lausch-Gesetz zugestimmt hatte, befürwortete gestern eine Anrufung des Vermittlungsausschusses, um Korrekturen zu ermöglichen. Kerstin Schneider Tagesthema Seite 3
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