: Türen auf die Wand gemalt
Eine Partnerschaft, die jedem nützt: Leerstehende Immobilien bieten sich an als exklusive Kulissen, als Freiräume für Kunst und Ausstellungen ■ Von Hans Wolfgang Hoffmann
Guter Geschmack ist exklusiv. Es ist schwer, für seine Produkte Publikum und Markt zu finden. Noch schwerer wird es, wenn die Kleinserie zum Einzelstück schrumpft, wenn es nicht um Design sondern um Kunst geht. Die traditionellen Vermittler scheitern an dieser Aufgabe. Kaum haben die Premieren-Gäste ihren Sekt ausgetrunken, ist eine Galerie verwaist. Nach der Vernissage lassen sich die Besucher an einer Hand abzählen. Die Schwelle ist zu hoch.
Berlins Immobilienhändler haben ähnliche Probleme. Über eine Million Quadratmeter Büro- und Wohnfläche stehen leer. Leere Häuser sind eine schlechte Werbung. Wo die Immobilienseiten der Zeitungen vor Anzeigen überquellen, die Preise vom Kunden gemacht werden, die Architektur kaum zu unterscheiden ist und selbst herausragende Lagen im Überfluß vorhanden sind, stellen sich Projektentwickler die Frage: Wie verschaffe ich meinem Objekt Exklusivität und Marktvorteile?
Doch beider Nachteil kann gemeinsamer Vorteil sein. Die Lösung: leerstehende Immobilien werden zu Freiräumen für die Kunst. Die Artisten bekommen einen Raum, an dem sie arbeiten und ihre Werke zeigen können. Die Hausherren füllen ihre leeren Räume mit Image. Beide gewinnen ein Publikum, aus dem sich die Kunden rekrutieren. Kunst und Kommerz werden Partner.
In den USA ist diese Idee bereits so erfolgreich, das die Vermittlung zwischen Künstlern und Konzernen sich zu einem eigenen Beruf gemausert hat, dem Art- Consultant. In Europa vermuten Feuilletons hinter jeder Aktion eine PR-Veranstaltung, Kunst und Kommerz gelten immer noch als unvereinbare Gegensätze. In der Tat sind die meisten Berliner Vorstöße eher bescheiden. In der Schönhauser Allee 10–11 kann man Kunst als Kaffeefahrt bewundern. Gemalte Tortenstücke ließ die Zweite Bürohaus Immobilienverwaltungssellschaft in die leeren Schaufenster ihrer „Königsstadt- Terrassen“ hängen. Thematisch stehen Daniel Jarmans „Permanent Sweets“ in keinerlei Zusammenhang mit dem Projekt. Weit größer als die Gemälde sind die Plakate, die um Mieter werben. Kunst als bloße Dekoration.
Liaison von Gebäude- und Kunstkonzept
In den Friedrichstadt-Passagen überließ der Investor Tishman Speyer zwei Berliner Künstlern einen Teil seines Blocks 205. Der Maler und Bühnenbildner Peter Schmidt-Schönberg arbeitet jetzt nicht mehr in seinem Weddinger Dachboden, sondern in einem Laden an der Friedrichstraße. Zu einem „symbolischen Preis“ kann er die noch unausgebauten Räume solange als Atelier und Galerie nutzen, bis sich ein regulärer Mieter gefunden hat. Verkauft hat Peter Schmidt-Schönberg dabei zwar noch nichts, doch schon zahlreichen interessierten Laien handwerkliche Tips für die eigene Arbeit gegeben.
Ist hier das Eindringen der Künstler in den Renditebau allein der momentanen Marktlage geschuldet, gingen ein paar Schritte weiter Gebäude- und Kunstkonzept eine viel engere Liaison ein. Im Hofgarten fand bis zum 1. Februar die Ausstellung „musterwohnen“ statt. Der amerikanische Projektentwickler Hines stellte dafür finanzielle Mittel und sechs noch unverkaufte Wohnungen in der Behrensstraße 28 zur Verfügung. Die Berliner Corporate-Art- Consultants Peter Heimer und Katja Döring lieferten das Konzept und vermittelten acht international renommierte Künstler. Sie hatten alle Freiheit, sich mit dem Ort auseinanderzusetzen. Fast alle Objekte waren Einzelstücke.
Thomas Locher zum Beispiel erweiterte den Wohnraum um die Illusion des Unendlichen und zeichnete zwei Türen auf die Wände. Das Rotterdamer Atelier van Lieshout lieferte einen frivolen Kommentar auf die Lebensgewohnheiten der künftig dort hausenden Singles und stellte ein „Multifrauenbett“ auf. Der Österreicher Heimo Zobernig verhängte die Fensterfronten mit einem Vorhang aus beidseitig spiegelnder Kunststoffolie, deren Lichtspiel die Wohnung zugleich offen und abgeschlossen erscheinen läßt. Richard Merkle zeigte eine Stuhlreihe, die sich zu einem Wandpaneel zusammenklappen läßt: Ein platzsparendes Möbel in einem großzügigen Raum.
Der Gang durch das Haus regt zum Denken an. Er gibt durchaus praktische Anregungen für die eigenen vier Wände. Vor allem aber stellt er grundsätzliche Fragen: Was bedeutet wohnen? Wie kann ich mir einen Raum aneignen? Anders als der Ausstellungstitel vermuten läßt geht es in der Hauptsache nicht darum, möglichen Käufern eine Vorstellung zu vermitteln, wie er die Wohnungen möblieren könnte. Auch daß dem Besucher die Qualitäten der von Max Dudler entworfenen Wohnungen vor Augen geführt werden ist nur ein Nebeneffekt.
Verkaufsbroschüren liegen nicht aus. Die Initiatoren wissen, daß sie die exklusiven Kunden für ihre exklusiven Wohnungen nicht mit plumper Werbung fangen können. Sie setzten auf Image-Gewinn. Klar ist ihnen auch, daß derart subtile Methoden nicht sofort zu handfesten Ergebnissen führen. Daß die Aktion zu konkreten Verkaufsverhandlungen für die Kunst oder die Wohnungen geführt hat, ließ sich nicht bestätigen.
So liegt der einzig meßbare Erfolg in der öffentlichen Resonanz. Dutzende Zeitungen berichteten über die Aktion, bis zum 1. Februar zählte man zwischen 40 und 170 Besuchern täglich – weit mehr als eine normale Galerie oder Wohnungsbesichtigung erreichen kann. So stand am Ende fest, daß alle Beteiligten, Eigentümer, Künstler und Publikum von der Partnerschaft zwischen Kunst und Kommerz profitieren können.
Denk-Räume:
„Vis-à-vis – Designerausbildung in Potsdam“, bis 28.2. im Alten Rathaus Potsdam, dienstags bis sonntags 10.00 bis 18.00 Uhr:
„Stefan Hirsig – gemaltes Wohndesign“, bis 28.2. in der Galerie Klosterfelde, Linienstraße 160, dienstags bis samstags 11.00 bis 18.00 Uhr. „Thomas Weil – neues geometrisches Ornament“, bis 15.2. in der Galerie Aedes East, Hackesche Höfe, Rosenthaler Straße 40–41, dienstags bis freitags 11.00 bis 18.30, samstags 11.00 bis 15.00, sonntags 12.00 bis 17.00 Uhr. Katalog 20 Mark. „Daniel Jarman's Permanent Sweets“, Königsstadt-Terrassen, Schönhauser Allee 10–11. „Lulu Mavert, Peter Schmidt- Schönberg“, offenes Atelier, Friedichstadt-Passagen, Friedrich- Ecke Mohrenstraße. „musterwohnen“, Katalog bei COM-Beratungsgruppe, Benita Hahm-Kraetz, Oliver Spott, Tel. 2176387
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