: Opium fürs Volk
■ CDU geißelt in der Bürgerschaft die Straffreiheit von Heroin-Selbstversorgern
In Hamburg werden Verfahren gegen Junkies, die mit geringen Mengen Heroin erwischt werden, in der Regel eingestellt. Das ist aufgrund des Betäubungsmittelgesetzes erlaubt. Dennoch löste die Aussage von Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD), Heroinbesitz zum Eigenbedarf dürfe nicht bestraft werden, einen christdemokratischen Sturm der Entrüstung aus. Gestern in der Bürgerschaft erreichte die emotionale Woge ihren Höhepunkt. Als Wellenreiter ganz oben tanzte CDU-Oppositionsführer Ole von Beust. „Was haben sie bloß für eigenartige Ideen“, ist der Blondschopf erschüttert. Erst das Kinderwahlrecht und nun Straffreiheit für Heroin. Das sei „zwar kreativ, aber Unsinn“. Und es schaffe „viele neue Süchtige“.
„Ein Tanz der Vampire“, stöhnte die GALierin Anna Bruns über die Gespensterdebatte. Die Senatorin sage doch gar nichts Neues. „Die ist ja gar nicht kreativ, ist nicht einmal kühn, sondern nimmt einfach nur die Realität zur Kenntnis.“Dann trat Peschel-Gutzeit selbst ans Rednerpult: „Ich bin Ihnen allen so dankbar für ihre Ratschläge.“Der CDU wußte sie ein Zitat von 1992 vorzuhalten. Da hatte der Gesundheitspolitiker Sieghard-Carsten Kampf so treffend bemerkt, daß „die Abhängigen vor Strafe geschützt werden müssen“. Dem stimme sie nicht nur zu, es sei darüber hinaus seit langem die Hamburger Linie, Dealer zu verfolgen und Süchtigen zu helfen. Ihre Forderung, die Straffreiheit von Eigenbedarf (ein bis zwei Gramm) endlich auch bundesweit durchzusetzen, sei die logische Konsequenz dieser Politik.
Der ertappte CDUler Kampf warf Peschel-Gutzeit vor: „Sie führen etwas im Schilde.“Die Legalisierung auch von kleinen Mengen Heroin sei in jedem Fall ein „Dammbruch“. Zudem sei die Droge, anders als von Peschel-Gutzeit behauptet, grundsätzlich gefährlich. Dem widersprach der Mediziner Peter Zamory (GAL) mit Nachdruck. Heroin sei in reiner Form – auf dem Schwarzmarkt ist es stets mit minderwertigen Stoffen vermischt – weniger gesundheitsschädlich als etwa Alkohol. Gefährlich sei das Suchtpotential. Und das habe Kampf, der ebenfalls Arzt ist, offenbar durcheinander geworfen. sim
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen