piwik no script img

Ziel ist der Weg

■ GAL zur Spitzel-Affäre: Der Senat konterkariert Willen des Gesetzgebers

Wer will denn gleich wegen ein bißchen staatlicher Bespitzelung in die Luft gehen? Die GAL zum Beispiel. Ein „Stephan“schnüffelte zwei Jahre lang verdeckt und mit „Legende“– falscher Lebensgeschichte – in antirassistischen Gruppen herum. Eine rechtliche Grundlage gibt es dafür nach Ansicht der GAL nicht; verdeckte Ermittler dürften nur im Bereich der organisierten Kriminalität eingesetzt werden.

Der Senat hat nun in der Antwort auf eine Kleine Anfrage des grünen Abgeordneten Manfred Mahr dargelegt, daß er die Lage der Dinge ganz anders sieht. Der „nicht offen“arbeitende Freund und Helfer bekomme „entsprechende Nachweispapiere“, um „unter falschen Personalien auftreten“zu können, doch er sei kein verdeckter Ermittler, heißt es dort. Verdeckt ist nämlich keineswegs dasselbe wie nicht offen – ein gänzlich anderer Paragraph ist dafür zuständig. Weil es sich um die „Gefahrenabwehr“in ihrer Gesamtheit handelte und „nicht um eine Maßnahme der Strafverfolgung“, war es nach Auffassung des Senats auch völlig legitim, die Staatsanwaltschaft mit der zweijährigen Maulwurfarbeit unbehelligt zu lassen. Die Polizei kontrolliert die „Zulässigkeit und Fortdauer eines solchen Einsatzes“selbst in einem „ständigen Prozeß“.

Die GAL ist über die lapidare Rechtfertigung des Senats aufgebracht und will „die Überwachungswut des Staatsschutzes“nicht auf sich beruhen lassen. Die Begründung des Senats „konterkariert den politischen Willen des Gesetzgebers“, schnaubt Mahr. Für verdeckte Ermittler seien hohe Eingriffsschwellen vorgesehen. Der dehnbare Begriff „Gefahrenabwehr“gehöre eindeutig nicht zum Aufgabenbereich von V-Menschen, gerade weil man das wahllose Ausspionieren von politischen Gruppen verhindern wollte, als das novellierte Polizeirecht 1991 in Kraft trat.

Mahr will seiner Fraktion heute vorschlagen, ein juristisches Gutachten anfertigen zu lassen. Den Koalitionsfrieden sieht der rechtspolitische Sprecher nicht gefährdet. „Es ist doch spannend, daß aus der SPD keine Kritik an meinem Vorgehen geäußert wurde.“Mahr hatte den Fall „Stephan“vor zwei Wochen öffentlich gemacht.

Silke Mertins

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen