: Rechtsextremismus: Entwarnung bei der Bundeswehr
■ Rühe in Lüneburg: Junge Rekruten der Bundeswehr sollen keinem „Gesinnungs-TÜV“ unterzogen werden. Opel (SPD): Bundeswehr ist nicht systematisch rechts unterwandert
Berlin (dpa/AP) – Wolfgang Gerhardt, Vorsitzender der FDP, mahnt Volker Rühe, das Problem des Rechtsextremismus ernster aufzufassen als bisher. Die Bundeswehr müsse sich wieder darüber klar werden, „welchen immensen Stellenwert“ die politische Bildung habe, sagte er gestern in Bonn. Gerhardt formulierte seine Sorge, nach dem am Wochenende bekanntgeworden war, daß die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ihre Anhänger verstärkt dazu aufruft, sich in der Bundeswehr an der Waffe ausbilden zu lassen.
Gleichwohl könne man nicht davon ausgehen, daß die Bundeswehr systematisch von Rechten unterwandert werde, sagte der Wehrexperte der SPD, Manfred Opel. In der Regel hätten Rechtsextremisten keine Chance, in der Armee als Freiwillige oder Offiziersbewerber zu dienen. Bisher habe die Bundeswehr das Problem „sehr wohl unter Kontrolle gehalten“. Sie könne bei länger dienenden Soldaten die Rechtsradikalen sehr schnell aufspüren. Diese Unterstützung von einem Mitglied der Opposition zu erfahren, dürfte Verteidigungsminister Volker Rühe gefallen haben. Nach einer öffentlichen Vereidigung von Rekruten in Lüneburg betonte auch er, es gebe keine systematische Unterwanderung der Bundeswehr durch Rechtsextremisten. Zwar werde immer wieder von einzelnen versucht, die Streitkräfte zu unterwandern, diese würden aber immer schnell wieder hinausgeworfen. Neben der Wiederholung seiner These von rechten Einzeltätern versicherte Rühe erneut, er werde es nicht dulden, daß Rechtsradikale in der Bundeswehr politisch aktiv werden.
Der innenpolitische Sprecher der SPD, Rudolf Körper, allerdings fordert ein schärferes Vorgehen. Er warnte davor, das Problem zu verharmlosen. Notwendig sei eine stärkere Überwachung der rechten Szene durch den Verfassungsschutz. Nach Meinung des niedersächsischen Verfassungsschutzes stellt die geänderte Zielrichtung der gewaltbereiten Rechtsextremisten eine zusätzliche Gefahr dar, meinte gestern Behördensprecher Rüdiger Hesse.
Volker Rühe will auf keinen Fall junge Wehrpflichtige auf ihre Gesinnung hin überprüfen lassen. Nach dem Gelöbnis sagte er: „Einen Gesinnungs-TÜV, wie einige Idioten schreiben, haben wir nicht.“ Ähnlich abfällig ließ sich Rühe während der Pressekonferenz auch über die Demonstranten aus, die zuvor das öffentliche Gelöbnis mit „Mörder“-Rufen und Pfeifkonzerten gestört hatten. Sie seien „gescheiterte Produkte“ des Schulsystems. Die rund 100 Demonstranten hatten ihn mit einem Konfettiregen begrüßt. Dabei waren auch Rufe zu hören wie: „Wir finden es toll, daß Sie hier Ihren Fasching feiern, Herr Rühe!“
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