: Plavšić ernennt neuen Generalstabschef
■ Srebrenica-Frauen fordern bei Demo in Sarajevo Untersuchung von geheimen Lagern
Sarajevo (taz) – In der serbischen Teilrepublik in Bosnien- Herzegowina ist eine wichtige Personalentscheidung getroffen worden. Präsidentin Biljana Plavšić machte jetzt ihr vor zwei Monaten gegebenes Versprechen wahr und setzte den Stabschef der Armee, General Pero Colić, ab. Nach Auskunft höchster SFOR-Stellen gilt der neue Mann in der Armee, Generalleutnant Momir Talić, als „moderat“ und als jemand, der in Zukunft bereit ist, mit den internationalen Friedenstruppen zusammenzuarbeiten.
Die Neubesetzung des Kommandopostens macht auch den Weg für die serbisch-bosnischen Streitkräfte frei, an dem US-amerikanischen Programm „train und equip“ teilzunehmen, das bisher nur für die Streitkräfte der bosniakisch-kroatischen Föderation offenstand. Momir Talić war während des Krieges Kommandeur des 1. Krajina-Korps der serbisch- bosnischen Armee in Banja Luka.
Dieses Armeekorps war beteiligt an der im Mai 1992 gestarteten Offensive auf die Orte Prijedor, Sanski Most, Kotor Varos und Bihać. In den Verantwortungsbereich des neuen Stabschefs fielen damals auch jene Gebiete, in denen die Konzentrationslager Keraterm, Omarska und Manjaca lagen. Informationen darüber, ob Talić dadurch belastet ist, konnten die Pressesprecher der SFOR zunächst nicht geben.
Sie gehen davon aus, daß sich der neue Stabschef kooperationsbereit zeigen und die Karadžić- Anhänger aus der serbisch-bosnischen Armee entlassen wird. Zu den von der Gesellschaft für bedrohte Völker erhobenen Vorwürfen, die Minister für Verteidigung, Inneres und Justiz im Kabinett des neuen Premierministers der Republika Srpska, Milorad Dodik, seien an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen, wollten sich die internationalen Sprecher ebenfalls zunächst nicht äußern.
Unterdessen erneuerten Überlebende der Massaker von Srebrenica den Verdacht, es gebe noch geheime Lager in Serbien und auch in der Republika Srpska, in denen über 3.000 Gefangene, unter ihnen 1.000 Männer aus Srebrenica, festgehalten werden. In einem Lager in der Stadt Modrica, die östlich von Banja Luka gelegen ist, müßten die Gefangenen Sklavenarbeit verrichten, erklärten einige ihrer Sprecherinnen.
Während der Demonstration am Montag abend in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo, an der mehrere tausend Frauen und Kinder teilnahmen, wurde eine Untersuchung durch internationale Institutionen gefordert. Der bosnisch- herzegowinische Präsident Alija Izetbegović forderte den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević und das serbische Mitglied im bosnisch-herzegowinischen Staatspräsidium, Momcilo Krajisnik, auf, sofort die Orte der Lager in Serbien und der Republika Srpska bekanntzugeben.
Die Hinweise auf die Existenz der Lager haben sich in den vergangenen Wochen und Monaten verdichtet. Noch bis vor kurzem wurden die Berichte aus den Reihen der Überlebenden von Srebrenica von seiten der internationalen Organisationen nicht ernst genommen. Sie wurden lediglich als Zeichen dafür gewertet, daß viele Frauen aus Srebrenica die Hoffnung hegten, ihre verschwundenen Männer könnten überlebt haben. Lediglich die Gesellschaft für bedrohte Völker hatte seit 1995 immer wieder sorgfältige Untersuchungen über das Schicksal der Verschwundenen gefordert. Erich Rathfelder
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