: Grundrecht auf 90 Sekunden Fernseh-Fußball
■ Verfassungsrichter gegen „Informationsmonopole“: Alle Sender dürfen Kurzberichte von Sportereignissen bringen – auch wenn einer die Exklusivrechte gekauft hat
Karlsruhe (taz) – Bei Berichten von gesellschaftlichen Großereignissen wie der Bundesliga wird es keine wirklich exklusiven „Exklusivrechte“ geben. Fernsehsender dürfen von solchen Ereignissen weiterhin 90-Sekunden-Berichte senden, selbst wenn ein anderer Sender sich für viel Geld Exklusivrechte gesichert hat. Dies entschied gestern der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe.
Das Gericht lehnte damit „im Kern“ eine Klage der Bundesregierung ab. Die wollte den freien Zugang für alle Sender für verfassungswidrig erklären lassen. Doch die Richter stützten das Kurzberichterstattungsrecht, das einst die Bundesländer beschlossen hatten: Es darf keine „Informationsmonopole“ geben, betonten sie – sonst sei die Meinungsfreiheit gefährdet.
Allerdings müssen die Sender für die 90-Sekunden-Filmchen künftig zahlen. Und die Kurzberichte dürfen nicht gesendet werden, bevor der eigentliche Rechteinhaber (etwa Sat.1 bei der Bundesliga) seine Bilder gezeigt hat.
Für die Fernsehzuschauer wird sich erst einmal nichts ändern. Und das nicht nur, weil die Landesparlamente nun fünf Jahre Zeit für eine Neuregelung haben. Zudem hat bislang kaum ein Sender das Recht genutzt – auch wenn es schon seit 1990 besteht.
Selbst die öffentlich-rechtlichen Anstalten haben nur hin und wieder damit gedroht. Schon um den Deutschen Fußball- Bund nicht zu verärgern, haben sie sich in der Regel brav die Zweit- oder Drittverwertungsrechte besorgt. 18,4 Millionen Mark zahlte die ARD für die Bundesliga- Saison 1997/98, 24 Millionen das ZDF. Diese Summen fließen für Schnipselberichte, bei denen den Anstalten von den Rechtebesitzern Kirch und Springer selbst die Sendezeiten diktiert werden.
Nach der Urteilsverkündung zeigten sich alle Beteiligten zufrieden. Der Justitiar des Deutschen Fußball-Bundes, Goetz Eilers, der die Verdienstmöglichkeiten seiner Vereine durch ein freies Berichterstattungsrecht stark gefährdet sah, zeigte sich erleichtert: „Für uns ist der Kern des Urteils, daß die Unentgeltlichkeit beseitigt ist.“
Auch Kurt Schelter vom Bundesinnenministerium erklärte: „Wir können mit dem Urteil gut leben.“ Im Vorfeld war vermutet worden, die Bundesregierung habe vor allem im Interesse des DFB und der Medienkonzerne geklagt.
Der rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck (SPD), der die Rundfunkpolitik der Länder koordiniert, erklärte, damit gebe das Verfassungsgericht grünes Licht für die Pläne der Bundesländer: Sie wollen einzelne Spiele vom Pay-TV ausnehmen. WDR-Intendant Fritz Pleitgen nannte das Urteil „weise, weitreichend und wegweisend“. Nun sei gesichert, daß dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch „in der digitalen Zukunft“ nicht die Luft abgedrückt werden könne (Az.: 1BvF1/91). Christian Rath/Lutz Meier
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