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■ Soldaten sollen auf ihre Verfassungstreue hin überprüft werdenGefahrenabwehr hat Vorrang

Die Bundeswehr dürfe nicht unter „Generalverdacht“ gestellt werden, hat Volker Rühe wieder und wieder betont. Jetzt läßt ausgerechnet der Verteidigungsminister Soldaten regelmäßig auf ihre Verfassungstreue hin überprüfen. Wenn das kein Generalverdacht ist! Recht hat Rühe vielleicht trotzdem.

Beim Thema Rechtsradikalismus und Bundeswehr gilt es, zwischen verschiedenen Problemfeldern sorgsam zu unterscheiden: Gibt es eine gezielte Strategie der Unterwanderung des Militärs durch Rechtsextremisten? Erleichtert das geistige Klima bei den Streitkräften eine solche Unterwanderung? Begünstigt das gesellschaftliche Klima Rechtsextremismus?

Die Antwort auf die beiden letzten Fragen muß politischer, nicht administrativer Natur sein. Der parlamentarische Untersuchungsausschuß hat Mängel in der politischen Bildung und eine fatale Kameraderie bei den Streitkräften zutage gefördert. Diese führt dazu, daß unliebsame Vorkommnisse lieber unter den Teppich gekehrt als gemeldet werden. Dem Fernsehmagazin „Kennzeichen D“ zufolge soll der rechtsextreme Aspekt auch bei einem Disziplinarverstoß von zwei Unteroffizieren in Bosnien bewußt vertuscht worden sein, um Aufsehen zu vermeiden. Das nährt den Verdacht, das Schweigen habe System.

Um so etwas zu ändern, wird ein langer Atem gebraucht. Das Prinzip der Inneren Führung muß gestärkt, die politische Bildung verbessert, die Auseinandersetzung mit Totalitarismus geführt und der ungeschriebene Ehrenkodex der Streitkräfte genau unter die Lupe genommen werden. Das allein genügt aber nicht.

Militanten rechtsextremen Überzeugungstätern ist mit politischen Grundseminaren kaum beizukommen. Sie müssen identifiziert werden. Das geht nicht ohne Gesinnungsprüfung. Eingedenk der staatlichen Hatz beim Radikalenerlaß fällt dieser Satz nicht leicht. Aber es ist ein großer Unterschied, ob jemand Briefe austrägt oder ob der Staat Rechtsextremisten den Umgang mit Gewehren und Handgranaten beibringt. Bei einer Güterabwägung hat hier die staatliche Pflicht zur Gefahrenabwehr Vorrang.

Nun gehört eine regelmäßige Sicherheitsüberprüfung von Berufssoldaten zur Routinearbeit des Militärischen Abschirmdienstes. Das Mißtrauen, daß Volker Rühe vor allem im Blick auf Medienwirksamkeit aktiv geworden ist, läßt sich daher nicht von der Hand weisen. Über den besten Weg, Rechtsradikale aus den Streitkräften herauszufiltern, muß dennoch weiter gestritten werden. Bettina Gaus

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